Samstag, 4. Mai 2024

Meine 18. Kalenderwoche 2024

"No need to hurry. No need to sparkle. 
No need to be anybody but oneself."
Virginia Woolf

"With so many things coming back in style, 
I can’t wait until 
morals, respect, and intelligence 
become a trend again."
Denzel Washington

"Aber wenn man wirklich etwas erreichen will, (...) 
muss man die Courage haben, sich an innere Orte zu begeben, 
die man gar nicht gern aufsucht. 
Orte in uns selbst, die Angst und Trauer hervorrufen. 
Das hat nichts mit der Außenwelt zu tun."
Paul Auster

Wie in der 18. Kalenderwoche des letzten Jahres gab es diesmal am vergangenen Wochenende wieder Hofflohmärkte, auch bei mir nebenan auf dem Hof.


Ich schaute es mir allerdings nur distanziert an, ich brauche nichts, hätte im Gegenteil genug Krempel, um ihn dazu zu legen. Einige Teile aus meiner Vasensammlung hab ich dann auch auf meinem Fensterbrett zum Mitnehmen deponiert und anschließend beim Bügeln meiner Sommerfähnchen am Küchenfenster zugesehen, wie schnell alles weg war. 

Die Sommerfähnchen werden gebraucht, denn für den Maifeiertag waren ja Sommertemperaturen angekündigt. Immerhin hatte es am Samstag schon 16 Grad tagsüber!




Auch am Sonntag war es wieder so warm, aber windig und trüb, so dass man dachte, gleich regnet es wieder. War aber wohl mal wieder der berüchtigte Saharastaub. Ich hab mal wieder Brennnesseln nach Raupen gescannt - das wird wohl nichts mehr mit Kleinen Füchsen, Tagpfauenaugen, Landkärtchen & Co... Ein Jammer!



Die Eschen im Tälchen machen mir Sorgen ( in diesem Post kann man sehen, was das für Prachtexemplare noch vor neun Jahren waren ). Es sind aber überall im Gelände neue Bäumchen gepflanzt worden, hoffentlich Sorten, die der Klimakatastrophe besser standhalten. Ich krieg ja immer wieder so einen Hals, dass dieses Problem so lässig abgetan wird.


In der Küche ging es auch in dieser Woche mit Spargelgerichten weiter, diesmal mit einem Rezept von Kitchenachim. Den verfolge ich schon länger bei Instagram und habe mir auch sein Kochbuch gekauft. Die Rezepte sind genial unkompliziert und immer mit Zutaten, die ich besonders mag. Empfehlung!




Die Sonne ist wohl nicht nur von mir vermisst worden. Ich merke vermehrt, dass ich blauen Himmel brauche, um mich dem Alltag stellen zu mögen. Entsprechend ausdauernd & lange war ich am Montag en d'r Sity unterwegs und habe zwischendurch ein Eis in der Sonne genossen.


Es hatte 20 Grad, was für mich eine angenehme Frühjahrstemperatur ist, bei der mir das Bewegen Freude macht. 




Am folgenden Tag steigerten sich die Temperaturen bis auf knapp 27  Grad und der kühle Wind hatte sich gelegt. Die warme Luft hat auch die geliebten Mauersegler wieder zu uns zurückgebracht. Die Sylter Rosen rosa rugosa blühen allerdings etwas verfrüht auf den Baumscheiben. Aber die zu hohen Temperaturen in den Wintermonaten haben die Natur ganz schön vor sich hergetrieben.

Am noch recht leeren Bouleplatz kam ich vorbei auf dem Weg zur Packstation. Jetzt weiß ich auch, wie ich mit der DHL-App meine dort deponierten Pakete befreie.


Am Maifeiertag habe ich mich per Bahn zu meiner Schwester aufgemacht, um sie zu bekochen. Sie ist ja aufgrund ihrer Erkrankung immunsupprimiert und hat sich zum wiederholten Male einen üblen Husten eingefangen.


Da hab ich doch gleich das patente wie überaus leckere Rezept vom Sonntag noch einmal aufgegriffen ( die Maibowle hatte die Nichte beigesteuert ).


Unterm Sonnenschirm konnte frau es aushalten, Fotos angucken, in Erinnerungen schwelgen an unsere Eltern und all die, die wir in den vergangenen Jahren verloren haben, über unsere Enkelkinder schwärmen usw., was halt zwei Frauen, die reichlich in die Jahre gekommen sind, sich so zu erzählen haben. Auf der Heimfahrt wurde es ganz offensichtlich, dass der Wüstenstaub wieder die Atmosphäre trübte.




Schön ist, dass ich unter den Postkunstwerklerinnen noch nicht total vergessen bin: Ghislana & Eva Fuchs haben mich doch unerwarteterweise mit Exemplaren ihrer "Scrapeart" bedacht, und jetzt endlich habe ich einen von Evas Blättern gerahmt und auf meine Küchenbilderleiste gestellt, weil mich die Farben so pushen. Euch beiden an dieser Stelle ein dickes Dankeschön!


Am Donnerstagabend dann kamen leichte Gewitter, aber mit sehr viel Starkregen auf. Das ständige Rauschen hat mich immer wieder durchs Haus streichen & kontrollieren lassen, erinnerte mich doch die Intensität an den 14./15. Juli 2021. Sechzig Liter, so die erfasste Niederschlagsmenge. Den Freitagmorgen über hielt ein solches Wetter an - na ja, Mairegen usw... Den Tauben am Markt machte der Temperatursturz von 15 Grad nichts aus. Mir auch nicht.


Heute möchte ich euch ohne viel Drumherumgerede ein Video ans Herz legen, das mich sehr gerührt hat. Ihr wisst wahrscheinlich, dass ich eine leidenschaftliche Oma bin, dass für mich die Beziehung zwischen Großeltern & Enkeln eine sehr wesentliche und außerordentlich bereichernde ist ( das war sie auch schon zwischen meiner Großmutter & mir, obwohl sie nur eine kurze Zeitspanne umfasst hat ). Um die Zukunft dieser meiner, unser aller Nachkommen mache ich mir viele Sorgen.


Nein, die Vergangenheit mit all ihren grausamen Erfahrungen allein taugt nicht, um Europa zu einen. Und die allgemeine Beschwörung der Demokratie wird im konkreten Kampf um diese Demokratie nicht viel nutzen. Aber ich finde so persönliche Geschichten, auch wie die im Film, können einen noch mal zum Innehalten und Nachsinnen bringen, was die Jahrzehnte, seit die europäische Idee umgesetzt wird, gebracht hat für uns Menschen auf unserem Kontinent. Da ist einfach mehr als Bürokratie und Reglementierung! So erlebe ich es jedenfalls und ich bin überzeugt, dass jede(r) Einzelne ebensolche positive Erfahrungen gemacht hat und sich deshalb - trotz mancher Bedenken - für Europa einsetzen kann. Also dann, am 9. Juni!

                                                      



Auch heute setze ich mich an Andreas Kaffeetisch, schaue bei Nicoles "Magischem Mai" vorbei, sonntags bei der Zitronenfalterin & bei Heidrun zum Mosaic Monday. 

Freitag, 3. Mai 2024

Friday - Flowerday #18/24



Ich kann auch Supermarkt 🤣

Denn von dort stammen die Pfingstrosen & Alstroemerien.

Die offenen Päonienblüten gefallen mir einfach.


Die diversen Rosa-Rot-Töne ebenso.


Euch, liebe Freund*innen der Freitagsblümchen...



... ein angenehmes erstes Maiwochenende!

                                                       

Jetzt bin ich gespannt,
welche Maiblumen bei euch 
an diesem Wochenende in der Vase steht.
Die Verlinkung ist wieder bis dienstagsfrüh möglich.


You are invited to the Inlinkz link party!

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Donnerstag, 2. Mai 2024

Great Women #375: Golda Meir

Wieder einmal ist seit dem 7. Oktober 2023 Israel - verständlicherweise - täglich in den Nachrichten. Wieder einmal ist der Glaube der Menschen in diesem Land in die Übermacht seines Militärs erschüttert. Wieder einmal mussten jüdische Menschen mitansehen, wie ihre Mitmenschen brutal ermordet werden. Eine sehr vielschichtige Situation, in der frau schnell gefordert ist, sich zu positionieren, ohne vielleicht sachkundig zu sein, dafür aber sehr affektiv aufgrund der eigenen (Landes-)Historie. Ich habe die Gelegenheit genutzt, ein bisschen mehr einzutauchen in die Geschichte des Staates Israel. Und wo geht das bei mir besser als mit einer Frauenbiografie? Da sie morgen Geburtstag hat, habe ich mir die Lebensgeschichte der Golda Meir vorgenommen.

"Man kann und darf nicht versuchen, 
die Vergangenheit auszulöschen, 
nur weil sie nicht in die Gegenwart passt."
.....
"Du kannst nicht mit jemand über Frieden verhandeln, 
der gekommen ist, um dich zu töten."

Am 3. Mai 1898, also morgen vor 126 Jahren, wird Golda Meir als Goldie Mabovitch in Kiew, damals noch zum zaristischen Russland gehörend, geboren.  

Sie ist eines von acht Kindern von Blume Naidtich und Moshe Itzhak Mabovitch, bei Goldas Geburt 31 Jahre alt, von denen fünf - vier Jungen und ein Mädchen- noch im Säuglingsalter sterben. Das Mädchen ist das mittlere der drei überlebenden Schwestern, Sheyna ist neun Jahre älter, Tzipke, später unter dem Namen Clara bekannt, vier Jahre jünger.

Golda hat den Namen ihrer Urgroßmutter mütterlicherseits bekommen, einer Matriarchin mit eisernem Willen, die vierundneunzig Jahre alt geworden ist. Als Goldas Vater Moshe ihrer Mutter Blume einen Heiratsantrag gemacht hat, hat sich die Familie der Heirat zunächst widersetzt. Urgroßmutter Golda hat schließlich interveniert, mit der Begründung, dass der einzige Vorzug eines Ehekandidaten, der wirklich zählt, sei, dass er ein Mensch sei. Und dem hat Moshe bis ins kleinste Detail entsprochen. So ist die Ehe von Goldas Eltern doch zustande gekommen. Von dieser Urgroßmutter heißt es auch immer, sie habe ihren Tee mit Salz statt Zucker gewürzt, um sich an die Bitterkeit der jüdischen Diaspora zu erinnern. 

Schtetl in Pinsk
Ein weiterer Charakter, der Golda beeinflusst hat, ist ihr Großvater väterlicherseits, Meir Zelig Mabovitch, der im Alter von dreizehn Jahren in die Armee des Zaren gezwungen worden ist, sich dort aber der Konvertierung zum Christentum widersetzt und sich geweigert hat, nicht koscheres Essen zu essen. 

Die Mabovitch'sche Familie lebt nämlich gemäß der jüdischen Speisegesetzt, hält die jüdischen Feiertage ein und teilt die traditionelle Sabbatmahlzeit mit der ganzen Großfamilie. Golda erinnert sich später, dass alle am Tisch gesessen und hebräische Lieder gesungen haben. 

Ihre eigene Familie charakterisiert sie hingegen als einen nicht besonders religiösen Haushalt. Sie erinnert sich an ihre bittere Armut und an die Pogrome: Als Vierjährige beobachtet sie ihren Vater, einen Tischler, wie er die Eingangstür des kleinen Familienhauses in Kiew gegen ein drohendes Pogrom durch Kosaken verbarrikadiert. Da erlebt sie zum ersten Mal "die Angst, die Enttäuschung und die Gewissheit des Andersseins und zugleich die tiefinnere Überzeugung, dass man selbst eingreifen muss, um zu überleben", wie sie später berichten wird. Ihr lebenslanges Engagement für die jüdische Sicherheit führt sie also auf ihre Erinnerungen an die antisemitische Gewalt im Russland jener vorrevolutionären Jahre zurück, in der Kinder in den ungepflasterten Gassen der Stadt nur spielen konnten, wenn diese sicher vor den Kosaken des Zaren waren.

Die Toten des Pogroms von Kischinjow 1903
1903 wandert Moshe Mabovitch nach Milwaukee in den Vereinigten Staaten von Amerika aus. Die restliche Familie weicht aus nach Pinsk, Weißrussland, dem Herkunftsort der Eltern. Dort wächst Golda nun die nächsten drei Jahre auf. 

In dem Jahr führt ein schweres Pogrom während der Ostertage in Kischinjow ( heute Chișinău, Hauptstadt Moldawiens ) mit 49 Toten und 86 Schwerverletzten, 1500 geplünderten & zerstörten jüdischen Häusern dazu, dass viele jüdische Gemeinden in Russland aus Protest ein Fasten ausrufen. Obwohl sie noch nicht ganz fünf Jahre alt ist, besteht Golda trotz der Einwände ihrer Familie aufgrund ihres Alters darauf, an diesem Fasten teilzunehmen. 

1908
Drei Jahre später holt Moshe Mabovitch seine Familie zu sich nach Amerika. Zunächst landen Mutter & Töchter in Quebec, Kanada. Da der Vater einem Freund geholfen hat, ins Land zu gelangen, indem er vorgegeben hat, dass dessen Frau und die Töchter seine eigenen seien, können seine Angehörigen nur unter falschen Namen einreisen. In Milwaukee kommen sie in einer Zweizimmerwohnung im armen jüdischen Viertel der Stadt unter. 

Golda ist jetzt acht Jahre alt. Der Vater arbeitet wieder als Tischler, und die Mutter eröffnet einen Kolonialwarenladen in der 615 Walnut Street, wo die Familie zunächst auch lebt und Golda die Fourth Street Elementary School besucht. Das Mädchen entdeckt schon damals seine Begabung, in der Öffentlichkeit zu sprechen.

Mit vierzehn Jahren schließt sie diese Schule als Jahrgangsbeste ab. Vor allem die Mutter widersetzt sich dem Wunsch der Tochter nach weiterer Schulbildung und plädiert auf eine baldige Heirat. Golda hingegen will Lehrerin werden. "Es lohnt sich nicht, zu schlau zu sein", warnt der Vater. "Männer mögen keine klugen Mädchen.

Die familiären Auseinandersetzungen sind anhaltend, denn die Widersprüche zwischen den Zielen des Mädchens und den Erwartungen der Familie sind nicht lösbar. Ihre dadurch schmerzhaften innere Kämpfe interpretiert der Teenager als sein ureigenes, individuelles Versagen und nicht als gesellschaftliches bedingtes Problem, so dass sich bei Golda ein feministisches Bewusstsein nicht in dem Maße entwickelt wie bei anderen Mädchen & Frauen in jener Zeit üblich.

ca. 1915
Schließlich reißt Golda aus ins 1500 Kilometer entfernte Denver zu ihrer älteren Schwester Sheyna & ihrem Schwager Shamay Korngold. Dies sei ein Wendepunkt gewesen, erinnert sie sich in ihrer Autobiografie: "Hier begann meine eigentliche Ausbildung. In Denver hat sich das Leben für mich wirklich geöffnet.

Golda schreibt sich schließlich an der North High School in Denver ein und jobbt, um ihre Ausgaben bezahlen zu können. So arbeitet sie z.B. als Presserin für die Firma ihres Schwagers bei "Korngold's Cleaning and Pressing Works". 

Das Korngold-Haus gilt unter den jüdischen Einwanderern aus Russland, die sich in einer jüdischen Klinik in Denver von ihrer Tuberkulose erholen, als sozialer und intellektueller Zufluchtsort. Ihre Abende verbringt das Mädchen damit, Shaynas radikalen Freunden zuzuhören und ihnen Tee zu servieren: 

Anarchisten und sozialistische Zionisten tragen mit ihren Debatten dazu bei, Goldas Weltanschauung zu formen. 1915 kommt sie in Kontakt mit einem sozialistischen Flügel der zionistischen Bewegung, der als "Poʿale Zion"-Bewegung in den USA für den Aufbau einer gleichberechtigten jüdischen Gesellschaft in Palästina eintritt. Sie lernt  im Haus der Schwester auch den introvertierten, feinsinnigen und nachdenklichen Buchhalter Malehz "Morris" Myerson ( der Nachname wird erst 1956 zu "Meir" hebräisiert ) kennen.

Ein Entschuldigungsschreiben ihrer Eltern ermöglicht ihr nach einem Jahr die Rückkehr nach Hause. Sie beginnt eine Ausbildung am Lehrerinnenseminar, unterrichtet dreimal pro Woche Kinder in Lesen, Schreiben und Geschichte an einer jiddischen Schule im Jüdischen Zentrum im Abraham Lincoln House  in Milwaukee, nachmittags arbeitet sie als  Substitute Library Assistant für 20 Dollar die Stunde. Zwischenzeitlich ist sie auch in Chicago im Bibliothekswesen tätig. Ihren eigentlichen Lebensinhalt sieht sie darin– sehr zum Leidwesen ihres Vaters –,  als Propagandistin an Straßenecken Vorträge über den Zionismus zu halten.

1917, am Weihnachtsabend, heiratet sie im Haus ihrer Eltern Morris Myerson. Einen Monat zuvor hat Großbritannien in der Balfour-Erklärung zugesagt, dass es "die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina" unterstützt. Ihr Ehemann hat ihr zuvor versprochen, dass sie gemeinsam nach Palästina auswandern werden, um dort in einem Kibbuz zu leben. Ausgeguckt haben sie sich Merhavyah im Emek, einem Gebiet mit  Malaria-Sümpfen, in dem es, wie Golda es ausdrückt, "keine Obstgärten, keine Wiesen, keine Blumen, nichts" gibt.

Golda bei der Arbeit im Kibbuz und mit ihrem Ehemann

Am 28. März 1921 reist sie mit ihrem Mann  und ihrer Schwester Sheyna ins britische Mandatsgebiet Palästina. Doch als sie ankommen, werden sie vom Aufnahmekomitee mit der Begründung abgelehnt, der Kibbuz sei nicht für verheiratete Paare gedacht. Nach anfänglicher Verblüffung bewerben sie sich ein zweites Mal, diesmal auf Probe. Während Golda Mandeln pflückt und Setzlinge pflanzt und Morris die Felder bearbeitet, beginnen die anderen Kibbuzmitglieder Morris‘ Phonographen und seine klassische Schallplattensammlung zu schätzen. So werden sie endgültig aufgenommen. 

Schon bald ist Golda ein vorbildliches Mitglied der Gemeinschaft und eine Expertin für Hühnerzucht, so dass der Kibbuz sie zu einem Managementkurs nach Haifa schickt und sie später als seine Vertreterin bei der Histadrut, dem Allgemeinen Gewerkschaftsbund, auswählt. Während es ihr gut geht, fühlt sich der sensible Morris, der zudem an Malaria erkrankt ist, nutz- & trostlos. Er weigert sich auch, mit ihr Kinder zu bekommen, es sei denn, sie sei damit einverstanden, diese in einem konventionelleren Familienumfeld aufzuziehen. Nach zweieinhalb Jahren ( "die glücklichsten meines Lebens" ) verlassen sie Merhavyah in Richtung Jerusalem, wo Golda 1924 einen Sohn, Menachem, und 1926 eine Tochter, Sarah, zur Welt bringt. 

Die Familie Meir
(ca. 1938)
Es verlangt der inzwischen 28jährigen einiges ab, eine traditionelle Ehefrau und Mutter zu sein, zudem in einem Leben in bitterer Armut. Morris arbeitet zwar als Buchhalter für das Histadrut Building Office, aber seine Bezahlung erfolgt recht unzuverlässig, so dass Golda Mühe hat, über die Runden zu kommen. Als Gegenleistung für Menachems Kindergartengebühren wäscht sie z.B. die Wäsche der Schule von Hand. Ihr macht die Arbeit zwar nichts aus, aber sie sehnt sich nach Produktivität im zionistischen Sinne und noch mehr nach einer sinnvollen Gemeinschaft. Jetzt ist es an ihr, sich nutz- & trostlos zu fühlen.

Eines Tages im Jahr 1928 trifft sie einen alten Freund, David Remez, Vorsitzender der Gewerkschaft Histradut und zweitmächtigster Mann neben David Ben-Gurion, wieder, der ihr eine Stelle als Sekretärin des Mo’ezet ha-Po’alot, des Arbeiterinnenrates der Histadrut, anbietet. 

Golda & David Remez im Gespräch mit einem Polizeichef
(1949)
Obwohl sie weiß, dass ihr Mann das nicht gutheißt, nimmt sie das Angebot an und zieht mit ihren Kindern und ihrer Schwester nach Tel Aviv.
"Die Tragödie bestand nicht darin, dass Morris mich nicht verstand, sondern im Gegenteil, dass er mich nur zu gut verstand und das Gefühl hatte, er könne mich nicht umerziehen oder ändern. Deshalb hielt er mich nicht davon ab, wieder zu arbeiten, obwohl er wusste, was das wirklich bedeutete", schreibt Golda in ihren Lebenserinnerungen.
Morris besucht sie am Wochenende, aber im Grunde ist ihre Ehe vorbei, denn schon vorher hat sich zwischen der jungen Mutter und Remez, diesem gebildeten Denker, aber im Gegensatz zu ihrem Ehemann auch ein tatkräftiger Macher voller Durchsetzungsvermögen, ein Techtelmechtel angebahnt. Golda hat zu dieser Zeit ohnehin mehrere Eisen im Feuer, wie hinterlassene Briefe bezeugen, darunter der spätere Präsident Israels Zalman Shazar. Doch der will von ihr eine Scheidung und die Ehe, was Golda ablehnt. Ihrem Mann ist sie weiterhin freundschaftlich eng verbunden ( und lässt sich von ihm bis zu seinem Tod 1951 nicht scheiden ). Sie fühlt sich schuldig, weil sie ihm nie die Frau sein konnte, die er sich gewünscht hat.

In Tel Aviv beginnt die politische Karriere der Golda Meir, zunächst im Gewerkschaftsbund Histadrut. 

1934 wird sie Mitglied des Exekutivkomitees der Histadrut und zwei Jahre später Leiterin der politischen Abteilung. Während des Zweiten Weltkriegs hat sie mehrere Schlüsselpositionen in der Zionistischen Weltorganisation und in der Jewish Agency inne, der höchsten jüdischen Behörde im britisch verwalteten Palästina, die als Regierung des Jischuw ( jüdische Siedlung ) fungiert. Als die männliche Führung wegen Flüchtlingsschmuggels verhaftet wird, fungiert sie als kommissarische Leiterin der Agentur und ist bis zum Ende des Mandats deren Sprecherin im Umgang mit den Briten. 

In dieser Position führt sie die Verhandlungen mit den Briten und mit der UN-Kommission für Palästina (UNSCOP), die einen Teilungsplan für das Land entwirft. Auch mit dem jordanischen König Abdallah ibn Husain I. gibt es Gespräche, die aber trotz eines guten Verhältnisses letztendlich zu keinem positiven Ergebnis führen.

Was ihr politisches Engagement für ihre Kinder bedeutet hat, reflektiert sie später einmal so:
1943
"Ich eilte immer von einem Ort zum anderen – zur Arbeit, nach Hause, zu einem Meeting, um Menachem zum Musikunterricht mitzunehmen, um einen Arzttermin mit Sarah einzuhalten, zum Einkaufen, zum Kochen, zur Arbeit und wieder zurück nach Hause. Und bis heute bin ich nicht sicher, ob ich den Kindern nicht geschadet oder sie vernachlässigt habe. [...] 
Es gibt einen Typ von Frau, die nicht zulassen kann, dass Mann und Kinder ihren Horizont einengen."

Golda ist eine von zwei Frauen, die dann 1948 die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel unterzeichnet. Nach der Etablierung ist bald klar, dass eine bewaffnete Konfrontation mit den Arabern unvermeidlich sein wird. Für die Ausrüstung der Streitkräfte wird viel Geld benötigt. Da Golda perfekt Englisch spricht, meldet sie sich, in die Vereinigten Staaten zu reisen, um von der dortigen jüdischen Gemeinde 25 Millionen Dollar zu erbitten. Ganz gegen ihre pessimistischen Erwartungen schafft sie es nicht nur, die erforderlichen Millionen aufzutreiben, sondern kehrt sogar mit 50 Millionen Dollar zurück. 

Begleitet wird sie auf dieser Tour von Henry Montor, einem hochrangigen Funktionär jüdischer Organisationen in den USA. Die nunmehr 50-jährige Golda und ihr amerikanischer Begleiter entwickeln eine romantische Beziehung, obwohl "Israel im Ausland doch keine Liebschaften haben sollte". Das Verhältnis überdauert rund zehn Jahre und wird besonders eng, nachdem 1951 binnen einer Woche sowohl Goldas Ehemann als auch der langjährige Freund und Geliebte David Remez sterben. 

Golda Meir in der Menschenmenge
vor der Moskauer Synagoge an Rosch Haschana
(1948) 
Einen Monat nach ihrer Rückkehr aus den Vereinigten Staaten ernennt der Außenminister sie zur Botschafterin in der UdSSR. Für die sowjetischen Juden etwas ganz Besonderes: 

Unter großer Gefahr drängen sie sich vor & in die Moskauer Synagoge an Rosch ha-Schana, um sie zu begrüßen. In Israel erntet Golda viel Kritik dafür, weil sie zu Hause nicht die Synagoge besucht. Sie würde  gerne in die Synagoge gehen, so ihre Antwort, sobald die Gleichberechtigung erreicht sei und sie im Hauptsaal neben den männlichen Gemeindemitgliedern sitzen dürfe.

1949 wird sie dann in die Knesset gewählt und von Premierminister Ben-Gurion zur Arbeitsministerin ernannt, die für die Suche nach Arbeitsplätzen und Wohnraum für die fast siebenhunderttausend Einwanderer zuständig ist, die ab 1948 bis 1951 ins Land strömen. Diesen Posten hat sie bis 1956 inne, und sie erzählt später, dass sie am liebsten auf dieser Position geblieben wäre.

Doch sie muss anschließend den der Außenministerin übernehmen. In jener Zeit hat Golda das Alleinstellungsmerkmal in dieser Position auf der ganzen Welt inne. Damals ändert sie ihren Nachnamen auch in das hebräische Meir. 

Bereits in den frühen 1950er Jahren ist Golda auch als mögliche Kandidatin für das Amt des Bürgermeisters von Tel Aviv gehandelt worden, was eine Diskussion über die Fähigkeit einer Frau in einer solch hohen Position auslöst. In einer hebräischen Tageszeitung steht damals: "Wir alle brauchen Sie, Golda Myerson, als 'Oberste Hausfrau' für die Stadt Tel Aviv."

Mit John F. Kennedy
(1962)
Ihre fast zehnjährige Amtszeit als Außenministerin beginnt mit dem Rückzug der israelischen Truppen vom Sinai, den sie in der Suez-Krise 1956 besetzt haben. Die Spannungen mit den arabischen Ländern, besonders mit Ägypten und Syrien reißen dadurch allerdings nicht ab. 

Golda gilt als eine der Schlüsselfiguren bei der Gestaltung der israelischen Außenpolitik. Als überzeugte Verfechterin der Existenz und des Verteidigungsrechtes Israels arbeitet sie unermüdlich daran, Beziehungen zu anderen Ländern aufzubauen und internationale Unterstützung für Israels Interessen zu sichern. Ausländische Kollegen respektieren sie als harte und effektive Führungspersönlichkeit, die bereit ist, schwierige Entscheidungen zu treffen. Auf der anderen Seite frustriert ihre fehlende Kompromissbereitschaft in Schlüsselfragen wie den israelischen Siedlungen im Westjordanland.

Golda setzt auf eine USA-nahe Position Israels, während die umliegenden arabischen Länder von der Sowjetunion umworben werden. Sie versucht durch Entwicklungshilfe die Unterstützung der afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten zu gewinnen. Stolz trägt sie das israelische technische und landwirtschaftliche Fachwissen in die gerade unabhängig gewordenen afrikanischen Nationen. Sie weigert sich als Außenministerin übrigens auch, die Rassentrennung in Rhodesien einzuhalten, was eine ganze Reihe von Kollegen inspiriert, diesem Beispiel zu folgen.

Was sie von den anderen Außenministern unterscheidet: Sie hat keinen Sinn für protokollarische Formalitäten, sie fliegt in der Touristenklasse, wäscht ihre eigene Unterwäsche im Hotel mit der Hand und putzt ihre Schuhe selbst. Ausländische Kollegen empfängt sie in ihrer heimischen Küche, serviert ihnen, Schürze tragend, ihr selbst gemachtes Gebäck. Zugleich trägt sie ihnen überdeutlich vor, wie wichtig die Garantie der Sicherheit Israels sei.

1965 wird bei ihr Leukämie diagnostiziert. Da ist sie 67 Jahre alt. Über diese Erkrankung bleibt die Öffentlichkeit im Unklaren, und sie lässt sich nur nachts im Hadassah Hospital behandeln. Sie verlautbart nur, sie wolle ihr Amt "nicht auf der Bahre" verlassen, scheidet demzufolge aus dem politischen Leben aus. Sie ist jetzt bereit, Vollzeit-Großmutter zu werden, möchte mehr lesen, Musik hören, backen, Freunde besuchen und langsamer werden. Tochter Sarah hat inzwischen zwei Kinder, der Sohn, ein Cellist, vier.

Sie kehrt allerdings schon im Jahr darauf wieder in die Politik zurück, diesmal als Generalsekretärin der Mapai. An der Gründung der Arbeitspartei Awoda 1968 ist sie maßgeblich beteiligt und übernimmt dort ebenfalls den Posten der Generalsekretärin. Diesen muss sie allerdings bereits nach wenigen Monaten wegen erneuter gesundheitlicher Probleme aufgeben.

Mit Moshe Dajan
(1969)
Als im Februar 1969 der damalige Premierminister Levi Eschkol, ebenfalls krebskrank, doch unerwartet an einem Herzinfarkt stirbt, kehrt Golda ein weiteres Mal aus dem Ruhestand zurück. Das Patt zwischen den ewigen Rivalen Moshe Dajan, aktueller Verteidigungsminister, und Yigal Allon, Befürworter eines politischen Ausgleichs mit den Arabern, in ihrer gemeinsamen Partei Awoda trägt Golda für fünf Jahre an die Spitze der israelischen Regierung.

Bedenken bezüglich ihres Alters werden begleitet von zahlreichen frauenfeindlichen Bemerkungen: Auf die Frage eines Journalisten, wie sie sich fühle, eine Frau in einer Männerwelt zu sein, antwortet Golda schlagfertig: "Ich bin jetzt schon lange eine Frau. Ich bin daran gewöhnt." Zu dieser Zeit gibt es nur Sirimavo Bandaranaike (Sri Lanka; siehe dieser Post ) und Indira Gandhi (Indien) in dieser Position, die diese Aufgabe übrigens erst durch den Tod ihres Ehemannes bzw. Vaters bekommen haben.

Bedenken äußert auch der Vorsitzende der ultra-orthodoxen Partei Agudat Israel, weil die Ernennung einer Frau zur Premierministerin der israelischen Abschreckung schaden würde. 

Bei ihrem Amtsantritt nennt sie einen Friedensvertrag mit Ägypten den größten Wunsch ihres Lebens – vorausgesetzt, das Land respektiere die Grenzen Israels.
"Grenzen, wo immer sie sein mögen, sollten keine Kluft zwischen den Menschen bilden, sondern vielmehr eine Brücke für die Menschen. Wir werden hierbleiben, die Araber werden hierbleiben. Ich glaube, zusammen könnten wir Großes leisten. Das ist nicht nur mein persönlicher Traum. Alle bei uns wollen das. Vielleicht geschehen Wunder, vielleicht werde ich es erleben, vielleicht sogar, solange ich noch im Amt bin."

Als sie die Regierung übernimmt, befindet sich Israel auf einem Wellenberg des nationalen Selbstbewusstseins: Nach dem spektakulären Erfolg im Sechstagekrieg, in dem das Land 1967 das Westjordanland, die Golanhöhen, Ost- Jerusalem und die ägyptische Sinai-Halbinsel erobert haben, halten viele Israelis ihre Armee für unbesiegbar. Die Premierministerin ist nicht bereit, die besetzten Gebiete im Tausch für eine Friedenslösung mit Palästinensern und arabischen Nachbarstaaten wieder zurückzugeben, wie es viele ihrer Kollegen fordern. Ägyptens as-Sadat verfolgt ebenfalls eine Strategie des "peace for territory". Golda bringt es den Ruf der "Eisernen Lady" ein. Deren größte Stärke ist gleichzeitig ihr größter Schwachpunkt – nämlich, alles auf ihre vereinfachende Weltschau zu reduzieren, nach der man als Israeli den Arabern nicht trauen darf. Der Nahost-Politik kann sie so keine neuen Anstöße geben. Angesichts des weiter andauernden Konfliktes mit Ägypten setzt sie letztendlich nur auf eine Taktik der militärischen Stärke und schlägt mehrere Friedensinitiativen von Anwar as-Sadat aus. 

"Die Entscheidung der israelischen Politik, den ägyptischen Vorschlag abzulehnen, wurde trotz ihrer Einschätzung getroffen, dass dies zu einer Kriegserklärung Ägyptens führen würde. In diesem Sinne haben sie sich bewusst für den Krieg statt für den Frieden entschieden", so der Politikwissenschaftler Uri Bar-Joseph in seiner Einschätzung von 2006. 

Nach dem Angriff auf die israelische Olympiamannschaft in München 1972 soll sie den israelischen Geheimdienst beauftragt haben, die palästinensischen Urheber des Attentats zu töten. Näheres zu dieser "Operation Zorn Gottes" ist allerdings nicht sicher belegt. Dennoch gibt es für diese Maßnahme im Nachhinein viel Kritik.

Mit Moshe Dajan bei den Truppen während des Jom-Kippur-Krieges
(1973)

1973 dann wird Israel überraschend am 6. Oktober, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, von Syrien und Ägypten angegriffen. Im folgenden Jom-Kippur-Krieg gelingt es der israelischen Armee mit einiger Mühe, wieder die Oberhand zu gewinnen. Die Soldaten können den Vormarsch der arabischen Einheiten stoppen und machen bald Landgewinne. Sie dringen tief in syrisches Gebiet ein, und die Luftwaffe bombardiert die syrische Hauptstadt Damaskus. In Ägypten überqueren israelische Soldaten den Suezkanal und nähern sich Kairo.

Am 22. Oktober ruft der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf Druck der Vereinigten Staaten alle Parteien auf, das Feuer einzustellen. Bei Inkrafttreten des Waffenstillstands am 22. Oktober an der Nordfront bzw. zwei Tage später an der Südfront sind die Syrer besiegt; die eingeschlossene und unversorgte ägyptische 3. Armee steht vor der Vernichtung. Mit dem Ende der Kampfhandlungen sind die Tage der Premierminiusterin Golda Meir allerdings gezählt. 

Rücktrittserklärung
(1974)
Auf israelischer Seite gibt es mehr als 2700 Opfer, ein schwerer Schlag für ein kleines Land und insbesondere für Juden, deren kollektives Überleben Leben für Leben misst. 

Die Eltern der Toten schreien Golda auf der Straße nieder und machen sie und Verteidigungsminister Dayan für die Verluste verantwortlich. Das Land ist wie traumatisiert, hat man doch an die Unbesiegbarkeit der eigenen Armee geglaubt. Wie konnte der Angriff unbemerkt vorbereitet werden? - diese Frage beschäftigt das ganze Land. 

Die Premierministerin wiederum treibt um, dass sie ihrem Instinkt gefolgt ist und nicht die Reserven Tage früher einberufen hat. Experten des Militärgeheimdienstes haben der Warnung des jordanischen Königs Hussein keine Bedeutung beigemessen. Jener ist im September nach Tel Aviv geflogen und hat von der Kriegsbereitschaft der Syrer berichtet. "Niemals mehr werde ich jene sein, die ich einmal war", schreibt sie dazu später in ihren Erinnerungen.

Unter dem Druck der öffentlichen Meinung ernennt Golda Meir einen Untersuchungsausschuss, die Agranat - Kommission. 

Obwohl ihre Partei die Wahlen im Dezember 1973 gewinnt, kann Golda Meir keine neue Regierung bilden. Nach Veröffentlichung der Schlussfolgerungen der Agranat Komission tritt sie am 10. April 1974 zurück, obwohl der Bericht die politische Führung nicht eindeutig verantwortlich macht. Sie übergibt am 3. Juni offiziell das Amt des Ministerpräsidenten an Jitzchak Rabin. 75 Jahre alt ist sie da. 1977 werden dann zum ersten Mal in Israels Geschichte rechtsgerichtete Kräfte ans Ruder kommen, was auch auf den Krieg zurückzuführen ist.

In der Zeit darauf tritt Golda Meir noch weiter in der Öffentlichkeit und Publizistik als Fürsprecherin der israelischen Sache auf. Ihre beiden letzten Lebensjahre werden jedoch getrübt von ihrer Verbitterung über die Regierung Menachem Begins, einem Vertreter des  revisionistischen Zionismus ( die Awoda Meirs als bislang führende zionistische Partei stellt hingegen die schnelle Besiedlung der besetzten Gebiete in Frage ), der sich als Ministerpräsident dem Ägypter Anwar as- Sadat langsam wegen eines Friedensvertrages mit Ägypten annähert und später für den Friedensnobelpreis nominiert wird. 

Noch während des Krieges hat sich Golda einer Strahlentherapie unterziehen müssen. Der Krebs lässt sich nicht besiegen. Sie stirbt am 8. Dezember 1978 in ihrem 80. Lebensjahr in Jerusalem – drei Monate, bevor in Washington der israelisch-ägyptische Friedensvertrag unterzeichnet wird. In ihrem Testament verbittet sie sich alle Ansprachen und jede äußerliche Ehrung. Ihr Begräbnis am Herzlberg wird jedoch weltweit live im Fernsehen übertragen.

So sehr Golda Meir im eigenen Land polarisiert hat ( in Israel gilt sie für viele gar als das schlechteste Staatsoberhaupt aller Zeiten ) und nie als nationale Heldin gefeiert wird wie Staatsgründer Ben-Gurion, im Westen gilt sie ( 1974 ist sie in einer Gallup-Umfrage zur "Most Admired Woman" gewählt worden ) als erfolgreiche und eine der bedeutendsten Politikerinnen des 20. Jahrhunderts, als Frau, die biblischen Starrsinn mit persönlicher Wärme zu mischen verstanden hat. Für sie ist die zionistische Sache einfach ein moralischer, historischer und politischer Imperativ gewesen und an ihrer Lebensgeschichte ist die Leidensgeschichte ihres Volkes gut nachvollziehbar. 

Für Verwunderung sorgt - nicht nur bei mir -, wie kritisch sie gegenüber der feministischen Bewegung eingestellt gewesen ist, obwohl sie sich oft als Frau kritisch zur Rolle geäussert hat und obwohl sie die gesellschaftliche Gleichgültigkeit gegenüber berufstätigen Müttern am eigenen Leib erfahren hat. Gleichwohl sie stereotypisch weibliche Eigenschaften gezeigt hat – ihre Kochkunst, die Wärme und Emotionalität, ihr matronenhaftes Aussehen –, haben es diejenigen, die sie gekannt haben, nie versäumt, ihre Zähigkeit zu betonen ( Ben-Gurion hat sie einmal als einzigen Mann in seinem Kabinett bezeichnet ).

Doch: So wie einige Juden sich dafür entscheiden, sich nicht als Juden zu erkennen zu geben, weil sie glauben, sie hätten die Möglichkeit, sich so zu verhalten, als ob die Zugehörigkeit zu diesem Volk keine Rolle spiele, so hat sich Golda dafür entschieden, nicht als Frau gesehen zu werden, als ob das Geschlecht keine Rolle in der Gesellschaft spiele. Aber wenn man jüdisch und zugleich weiblich ist, spielen natürlich beide Tatsachen eine Rolle.

Grabstätte auf dem Herzlberg

Ihre Faszination als starke, jüdische Frau spiegelt sich nach ihrem Tod in der medialen Aufarbeitung ihrer Biografie: 

1982 wird sie in dem Fernsehfilm "Golda Meir (A Woman Called Golda)" von Ingrid Bergman dargestellt ( die bei den Filmarbeiten ebenfalls schon schwer vom Krebs gezeichnet ist ). In dem deutschen Spielfilm "Die 21 Stunden von München" von 1976 spielt Else Quecke sie. In Michael Andersons Fernsehfilm "Gesetz des Terrors" 1986 wird sie von Colleen Dewhurst verkörpert und in Steven Spielbergs "München" (2005) von Lynn Cohen. Im Jahr 2023 inszeniert der Israeli Guy Nattiv ihre Biografie als Film mit Helen Mirren in der Titelrolle und leitet damit ein Revival der historischen Figur Golda Meir ein.

Bis heute  verkörpert Golda Meir wie keine zweite die Divergenz zwischen Juden in den Vereinigten Staaten und Juden in Israel. Für amerikanische Juden ist sie die ewige Großmutter des jüdischen Volkes und ein Beispiel dafür, wie eine amerikanische Jüdin die Kluft zwischen beiden Staaten überbrücken konnte, weil sie in beiden Gemeinschaften perfekt zurechtgekommen ist. 

Für die Israelis trägt sie wiederum die Verantwortung für die schweren Verluste an Menschenleben während des Jom-Kippur-Krieges, was ja auf ihre schlechte Führung zurückgeführt wird. Das verstellt völlig den Blick auf ihre menschliche Entwicklung und die Leistung für das Land. Dabei könnte ihre Lebensgeschichte, endlich dem Schatten dieses Krieges entrissen, als Lupe dienen, um die Herausforderungen Israels – seine Grenzen, Siedlungen, die Besatzung, den Terror und die soziale und ethnische Kluft zwischen Juden europäischer Herkunft und nahöstlicher Nachbarn - zu betrachten und zu analysieren.