Samstag, 23. November 2024

Meine 47. Kalenderwoche 2024

"Faschismus ist die radikale Lösung
 für jemanden, der nicht weiß 
 wer er ist, wo er ist und wohin er gehört."  
Roger Griffin, brit. Historiker
"Mit dieser Flucht in Neuwahlen 
zur Umgehung schwieriger Entscheidungen 
wird die Illusion geweckt, 
dass danach die Probleme nicht mehr existent seien. 
Das wird nicht so sein. 
Die Haushaltslücke 
von 15,5 Milliarden Euro 
ist nach der Wahl immer noch da."
Volker Wissing
 "Nicht in jedem stinkenden Kackhaufen 
verbirgt sich ein Körnchen Goldstaub, 
das es zu finden gilt."
Netzfund

Manche haben es schon mitbekommen: Die Blogpause in der letzten Woche habe ich auch genutzt, um der Tochterfamilie in München unter die Arme zu greifen. Der hier bereits angedeutete Vorfall in der OGTS der Schule der Jüngsten haben zu einem erneuten Vertrauensbruch geführt und damit auch zu einem Überdenken des bis dahin gewählten Betreuungsmodell nach dem Schulunterricht für die Achtjährige. Im Rahmen dieser Neuorientierung konnte ich behilflich sein und bin, sobald ein notwendiger Schritt im Rahmen meiner Zahnsanierung erfolgt war, zu meinen Lieben gereist.

Dort begrüßten mich nicht nur meine Kinder, sondern auch mein Lieblingsblick auf die Zugspitze...


Am nächsten Morgen hatte ich Zeit, geplante handschriftliche Briefe an Abgeordnete zu schreiben. Erst im Laufe des Tages drang die Sonne durch den Hochnebel. Nachmittags bin ich u.a. mit der Jüngsten zum Friseur gegangen:















Der Samstagmorgen war dann zunächst dem Besuch des Lieblingsfloristen gewidmet, um einen Adventskranz für die Familie auszusuchen ( mein Favorit wäre der mit dem Araukariengrün gewesen ).




Anschließend schlenderten wir noch durch die sonnendurchfluteten Straßen zu einem Spielplatz und abends gab es für mich noch etwas Abendrot zum Zugspitzblick:









Sonntags habe ich u.a. die Jüngste zum Spielplatz begleitet und mit ihr Pompoms gefertigt.



Weil ich dringend noch etwas für meinen Adventskalender  für die Kinder benötigte, bin ich zur Sendlinger Straße gefahren, nicht ohne die Asamkirche aufzusuchen.


Die bot mir schon genug vorweihnachtlichen Glanz.


Ein Münchenbesuch ohne einen solchen auf dem Viktualienmarkt geht nicht:

Was hatten die da schöne Kränze! Schade, dass ich mit dem Zug reise! Ein Besuch bei der Liesl ist auch obligatorisch:




Meinen Kalender hatte ich fertig, bevor die Kinder aus der Schule kamen. 


Da es die Schule nicht hinkriegt, die Nachmittagsbetreuung für Kinder wie Mütter zufriedenstellend zu organisieren, unterstützen sich die Eltern - ja sogar Großmütter springen ein, nicht nur ich - wechselseitig bei der Versorgung der Schülerinnen nach dem Unterricht.


Besorgungen in Haidhausen brachten mich auch wieder zum schönen Bordeaux - Platz. Nachmittags begleitete ich die Jüngste samt Freundin zum Musikunterricht.


Am schulfreien Buß- & Bettag fiel Schnee. Große Freude!


Den "freien" Nachmittag nutzte ich für mich zu einem Museumsbesuch, diesmal im Brandhorst - Museum mit seiner beeindruckenden Cy - Twombly- Sammlung:









An meinem letzten Abend in München gab es noch mal eine warme, himmlische Stimmung für mich. Bevor ich dann am Donnerstag spätnachmittags mit der Deutschen Bahn Richtung Köln aufbrach, habe ich die ältere Enkelin noch zu einer dreistündigen Sitzung bei ihrer Kiefernorthopädin begleitet.


Zurück in Köln wartete auch auf mich früh morgens der Besuch beim Zahnarzt. Wie unterschiedlich die Treppenhäuser in den beiden Praxen doch sind! 


Auch hier bei uns hat es wohl den ersten Frost gegeben, wie die Kapuzinerkresse beweist.


Was habe ich in den vergangenen Tagen den Kopf geschüttelt ob der Erfahrungen der Einrichtung "Offene Ganztagsschule" an der Schule meiner Enkelin! Das Gesetz scheint mir eindeutig, das Konzept an dieser Schule völlig inkonsistent und bewirkt demzufolge größtmögliche Unsicherheit bei den Kindern, vor allem aber bei den Müttern, die nur ihrem Beruf & ihrer Ausbildung unbesorgt nachgehen können, wenn sie ihre Kinder verläßlich betreut wissen. So viele Tränen habe ich in den vergangenen Tagen gesehen!

Ich will jetzt nicht auf individuelle Erfahrungen eingehen, möchte aber die Willkür in Entscheidungen & Maßnahmen - teils in Mails ohne Unterschrift des Verantwortlichen mitgeteilt - besonders betonen. So sieht also das "hervorragende" Bildungswesen im Freistaat aus, das ihr Ministerpräsident so gerne lautstark hervorhebt!

Ich frage mich auch schon mal, in welcher Realität der überhaupt lebt. Es ist wohl die des Bierzeltes, wie ich in einem Statement im Netz in dieser Woche gelesen habe. Wie kann frau sich sonst so einen gedanklichen Zusammenhang erklären, den er zuletzt im Rahmen seines ständigen Kulturkampfes aufgestellt hat: 

Da fordert er eine "neue Mentalität" ( Helmut Kohl, ick hör dir trapsen ), und zwar:"Weniger woke, divers, Gender, mehr Leistung, Fleiß und Pünktlichkeit - das macht uns stark." Aha! Deutschland hängt also abgeschlagen hinter China und den USA, weil Schwule leistungsfeindlich sind, Queere faul und Transmenschen unpünktlich zum Beispiel? Nicht mal die Arbeitgeberschaft führt die Einbrüche auf eine Minderleistung der Arbeitnehmer zurück! Fehlen Fachkräfte aus Gründen der Wokeness? Sind die Energiepreise gestiegen aus Gendergründen? Was soll der Schwachsinn? Da äfft doch einer nur den Blaunen nach. Und der sollte besser weniger vollmundig schwafeln von der Wichtigkeit von Familie & Kindern. Das merken die Frauen nicht nur in Bayern, dass sie und ihr Lebensmodell nichts wert sind. Ich hoffe nur sehr, dass sie sich dessen entsinnen, wenn sie am 23. Februar ihr Kreuzchen machen.

Ich bin ziemlich wütend über diese Wahlkampfallüren &-tendenzen. Und das ist ist eine gute Grundlage, um Energien zu generieren. In diesem Sinne: Bon week-end! Ich fange heute damit an...

                                                                      

Verlinkt mit dem Samstagsplausch der karminroten Andrea und den Sonntagsschätzchen ihrer zitronigen Namensvetterin sowie dem Mosaic Monday von Heidrun.

Freitag, 22. November 2024

Friday - Flowerday #47/24

Die Nerine hatte ich bei einer Passantin mit einem Blumenstrauß gesehen - 
die sollte es auch in meinem Strauß für die Tochter sein!


Und mit diesem Wunsch betrat ich 

Der ergänzte mit einem Ilexzweig,
dunkelroten Leucadendren
und
magentafarbenen Nelken. 


Heute teilweise nur iPad-Qualität und 
vor einem ungewohnten Hintergrund,
da in der Münchner Wohnung:


Ich wünsche euch allen ein erholsames Wochenende!


                                              

Und auch heute hier wieder die gewohnte Verlinkung für euch:

You are invited to the Inlinkz link party!

Click here to enter

Donnerstag, 21. November 2024

Great Women #398: Lona "Muschelkalk" Ringelnatz

Ringelnatz kennt wohl jeder, jede Grundschullehrerin seine Ameisen, die in Altona auf der Chaussee schlapp machen oder den Briefmark, der da sehr viel mobiler in puncto Reisen ist. Entsprechend viele Schulen tragen seinen Namen. 'Muschelkalk' ist dann schon eher nur eingefleischten Kennern des humoristischen Reimers ein Begriff bzw. dass das der Spitzname der Frau ist, die in seinen letzten vierzehn Lebensjahren an seiner Seite gewesen ist. Lona Ringelnatz hat aber auch ein kulturell reiches Leben abseits von ihrem berühmten Ehemann geführt, über das mein heutiger Post erzählen wird.

Rastenburg
(1917)

Lona "Muschelkalk" Ringelnatz kommt als Leonharda - Rufname "Lona" - Pieper am 22. November 1898, also morgen vor 126 Jahren, in Rastenburg in Ostpreußen zur Welt. Sie ist die Tochter des Bürgermeisters der Stadt, Wilhelm Pieper, 1861 in Horsthausen bei Herne geboren, ausgebildeter Verwaltungssekretär. Die Mutter, Johanna Raske, stammt ebenfalls aus dem Westen, aus Isselburg im Münsterland. Lona ist das jüngste ihrer drei Kinder: Bruder Hans ist 1893, Schwester Gerda 1894 geboren. 

Die Familie hat schon seit einigen Jahren im deutschen Osten nach einem Umzug 1894 nach Landsberg an der Warthe gelebt, wo der ehrgeizige Vater in seiner beruflichen Karriere weiter kommen kann.

Die Mutter stirbt, da ist das Mädchen noch ein Kleinkind von zwei Jahren. Der Vater heiratet 1902 Elise Loewner, eine Ostpreußin, die Hauslehrerin bei einem Baron von Boitzenburg gewesen ist. Die wird die wichtigste Bezugsperson der Halbwaisen und noch weitere drei weitere Töchter mit Lonas Vater  bekommen: Hilde (*1904), Ursula (*1908) und Elisabeth (*1909).

Die Familie gehört zur guten Gesellschaft in der Zehntausend-Einwohner-Stadt, wohnt auf der Rastenhöhe am Stadtrand und verfügt über eine eigene Sitzbank in der protestantischen Kirche der preußischen Garnisonsstadt. Als Bürgermeister veranlasst der Vater die Erweiterung des Schienenverkehrs und lässt Wasserwerk wie Kanalisation mit Kläranlage installieren. Er engagiert sich darüberhinaus im Vorstand des Ostpreußischen Städtetages und Reichsverbandes deutscher Städte. Bürgermeister wird er bis 1921 bleiben.

Lona besucht in ihrem Geburtsort die Höhere Töchterschule, die bis zur zehnten Klasse geht. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird sie mit ihren drei kleinen Schwestern nach Samland, der Halbinsel, die Kurische Nehrung und Frisches Haff voneinander trennt, in Sicherheit gebracht. Dort leben sie bei einer befreundeten Gärtnerfamilie, kehren nach einem Jahr aber wieder nach Rastenburg zurück. Lona pflegt anschließend mit ihrer älteren Schwester verletzte Soldaten im Lazarett in Rastenburg.

1916 darf sie dann eine berufliche Ausbildung beginnen, da ist der Vater sehr fortschrittlich eingestellt. Für Lona wäre auch eine Ausbildung zur Lehrerin nach ihrem Schulabschluss möglich. Da sie besondere Freude an den Sprachen Englisch & Französisch hat, entscheidet sie sich für diesen Fächerschwerpunkt und wählt als Ausbildungsort Eisenach, wo Dorothea "Dora" Kurtius in der Burgstraße 16 eine entsprechende Institution mit angeschlossenem Pensionat unterhält. Mit dem Zug reist die 17jährige erwartungsfroh im Frühsommer 1916 nach Thüringen.

Dora Kurtius hat dereinst im Münchner "Simpl" den dortigen "Hausdichter" Hans Bötticher kennen & schätzen gelernt. Sie ist es, die ihm in finanziellen Nöten 1912 einen Posten eines Privatbibliothekars beim Grafen Yorck von Wartenburg vermittelt. Er besucht sie immer wieder in ihrem Eisenacher Mädchenpensionat und findet unter ihren Schülerinnen so manchen Schwarm. Auch seine Urlaube vom Kriegsdienst auf den Sperrschiffen vor der Nord- und Ostseeküste verbringt er gerne in der Wartburgstadt. Und so trifft der fast 33jährige auch auf die blutjunge Lona.

Schon am 6. Juni schreibt er ihr: "...Wenn Du so viel im Herzen wie im Kopf hast möchte ich einmal mit Dir den ganzen Wartburg-Abhang herunterkollern … sei geküsst von Deinem frechen Hans." Doch sie bleibt ihm gegenüber reserviert, einmal, weil es ihre Art ist, zum anderen ist sie mit ihren Gedanken zu Hause in Rastenburg. Dort ist die Stiefmutter gestorben, und der Vater mit den kleineren Geschwistern allein. Ihr Verhalten bringt ihr bei Hans den Namen "Muschelkalk" ein, erscheint sie ihm doch wie der harte, hochwertige Mörtel aus Muschelschalen, der an der Küste üblich ist. Nach einem zweiten Treffen bedauert sie ihr Verhalten dann aber auch schon: 

"... dass ich nicht lieber zu Dir war. Doch ich kann so schwer zeigen, was ich fühle. Glaub mir, ich hab Dich auch lieb, sehr lieb und möchte Dir so gern etwas Liebes tun." 

Hans scheint sie sich als seine Frau vorstellen zu können, wendet sich dann aber in Cuxhaven der Schauspielerin Annemarie Ruland zu, der er das Interesse am Schreiben eines Theaterstückes verdankt. Zwar dankt er Lona & ihren Geschwistern höflich für ein Weihnachtspäckchen, doch weiterer Kontakt unterbleibt und kommt erst wieder zustande, nachdem der Krieg vorbei ist und Hans ohne Sold & Uniform in Berlin zurechtkommen muss. In einem Gedicht vom 6. Dezember 1918, welches er ihr schickt, nennt er sie eine "muschelverkalkte Perle" - der Kontakt bleibt weiterhin lose. Lona ist nach ihrem Abschluss nun als Sprachlehrerin in Rastenburg tätig, wo sie im Elternhaus bei ihrem zum dritten Mal verheirateten Vater wohnt.

Im November 1919 treffen sich die beiden wieder in einer Berliner Weinstube - ein Rendezvous, das von ihrem Bruder vermasselt wird. In der weiteren brieflichen Tuchfühlung klären sie immer wieder ihre Lebenskonzepte & Emotionen. Der fünfzehn Jahre Ältere konfrontiert sie u.a. mit seinen Vorstellungen von Sexualität, was die junge Frau durchaus verwirrt. Er schreibt ihr: "Du bist noch ganz verstrickt in die schmutzige Wolle, mit dem die kleinliche Bourgeoisie ihre Kinder umspinnt."

Doch Lona mag ihn sehr, ihn, der nun so zielstrebig als Dichter Jochim Ringelnatz durchstarten will, und fasst ein gemeinsames Zusammenleben ins Auge.

Hans Gustav Bötticher, am 7. August 1883 im sächsischen Wurzen als Sohn eines Musterzeichners und später hauptberuflichen Verfassers von humoristischen Versen und Kinderbüchern auf die Welt gekommen, verbringt seine Kindheit & Jugend in Leipzig, wo er als Schüler auffällt ( Lehrerurteil: "ein Schulrüpel ersten Ranges" ) und schließlich mit dem Einjährigen-Freiwilligen-Examen (Obersekundareife) abgeht, um ab 1901 als Schiffsjunge auf einem Segelschiff zu arbeiten. 
Doch auch das glückt ihm nicht vollends, und er wird letzten Endes dreißig Berufe während dieser Zeit ausüben, hungern und darben, bis er 1904 Militärdienst bei der Kaiserlichen Marine ableisten bzw. im Jahr darauf als unbezahlter Lehrling in eine Hamburger Dachpappenfirma tätig werden kann. Er verfasst gleichzeitig Gedichte und malt Ölbilder. 
Über Stationen in Frankfurt/Main & Amsterdam gelangt Hans Bötticher als Buchhalter in ein Münchner Reisebüro. Die Stelle erschleicht er sich mit der Behauptung, fünf Sprachen zu sprechen. Mehr Erfolg verschaffen ihm seine Auftritte in der Münchner Künstlerkneipe "Simpl" und Buchveröffentlichungen wie Zeitschriftenbeiträge & Gedichte. Finanziell wird er aber ausgenutzt, so dass er nach Tirol, Riga, Kurland ausweicht. Es folgen Tätigkeiten als Bibliothekar, Fremdenführer, Schaufenstergestalter, bevor er sich bei Kriegsbeginn freiwillig zur Marine meldet. Nach Kriegsende sympathisiert er kurzzeitig mit der Novemberrevolution und nimmt das Pseudonym Joachim Ringelnatz an, mit dem er ab da seine Gedichte  unterzeichnen wird.

Die Zeitgeschichte erschwert das alles: Hans muss als ehemaliger Soldat nach München zurück, so die Vorschriften der Demobilisierung. Und Lona erhält eine Stelle als Lehrerin in Godesberg bei Bonn. Als er von der "Simpl"-Wirtin Kathi Kobus ein Angebot über 1200 Mark Gage erhält, drängt er auf Hochzeit. Ja, er wird richtig ungeduldig, auch weil der künftige Schwiegervater so lange zögert, auf sein durchaus sehr bürgerlich abgefasstes Heiratsgesuch zu antworten, und Lona lieber einen gemeinsamen Wohnsitz in Rastenburg nehmen würde. Es geht viel Post hin und her, es wird argumentiert und gefordert - der so kesse Dichter hat da so seine patriarchalischen Vorstellungen vom "Hausgeistchen"  und was er tun wird, "wenn Muschelkalk in meinen Händen nicht das wird, was ich erhoffe?", da wird mir beim Lesen ganz schwummerig! Die junge Frau gibt nach und zieht nach München.

Hochzeitsfoto
Überraschenderweise kommt "Muschelkalk" bei der Bohème im "Simpl" gut an, und am 7. August 1920 - Ringelnatz' 37. Geburtstag - findet die Hochzeitsfeier bei einer Frau namens Friedländer statt, die derartiges privat veranstaltet. Lona ist gerade mal 21 Jahre alt.

Einen Tag später wird im "Simpl" gefeiert und am 17. August erfolgt die standesamtliche Trauung mit anschließendem zweisamen Essen in einer Weinstube. Dort trägt der Dichter seiner jungen Frau das berühmte "Ansprache eines Fremden an eine Geschminkte vor dem Wilberforcemonument" vor: 

Das ist nun kein richtiger Scherz.
Ich bin auch nicht richtig froh. 
Ich habe auch kein richtiges Herz.
Ich bin nur ein kleiner, unanständiger Schalk.
Mein richtiges Herz. Das ist anderwärts, irgendwo
Im Muschelkalk.

So der Schluss des Gedichts...

Trotz vollkommen neuer Umgebung, politischen Unwägbarkeiten, der  Zugehörigkeit zur Bohème - Lona wird später über diese Phase formulieren:

"Es war schon eine turbulente Zeit, diese Jahre nach dem ersten Weltkrieg, die Kokainzeit... nun, mir hat das alles nicht geschadet, obwohl ich die jüngste in unserem Kreis war." ( Quelle hier )

Das erste Mal lebt sie so nah bei ihrem und mit einem Mann ( zunächst in seinem Einzelzimmer ), der sehr eigenwillige Gewohnheiten & Vorlieben hat. Schließlich können die beiden als Schwarzmieter in eine Zweizimmerwohnung in der Hohenzollernstraße 31a/Gartenhaus in Schwabing ziehen. Zehn Jahre werden sie dort bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Februar 1930 bleiben. Von ihrer beider Angst vor Ausweisung aus der Wohnung legt das Gedicht "Angstgebet in Wohnungsnot" (1923) Zeugnis ab. 

Auch sind sie in  immer wieder in Geldnot. Ringelnatz arbeitet aushilfsweise als Prüfer der Postüberwachungsstelle in München und tritt wieder im "Simpl" auf, sie gibt Sprachunterricht und untervermietet ein Zimmer. Die Wohnung ist ein sehr persönliches Museum mit Kuriositäten, die Ringelnatz aus aller Welt gesammelt hat und Zeichnungen wie Malereien befreundeter Künstler an den Wänden wie auch Skulpturen, darunter der heute berühmte Ringelnatzkopf von Renée Sintenis, und einer penibel geführten Bibliothek.

Lona ist nie aufs Hausfrauendasein vorbereitet worden, lässt ihren Mann kochen ( was der gerne tut ), wäscht allerdings die Wäsche im entsprechenden Kessel in der Gemeinschaftswaschküche, lässt sich aber auch gerne von ihm zum Ausgehen bewegen. Vor der Inflation kann das Paar im Laufe der Zeit dann so viel Geld sammeln, dass ein Hauskauf avisiert wird ( die Inflation macht einen Strich durch die Rechnung ). 

Schon wenige Wochen nach der Eheschließung hat Ringelnatz ein Engagement im Berliner Kabarett "Schall und Rauch". Dabei lernt er den weltbekannten Stummfilmstar Asta Nielsen kennen, die seine Darbietungen schätzt. Auch der Bremer Silberwarenfabrikant Carl Wilkens wird ein Fan und lässt in die Mitte einer massiven Holztür seines neuen Geschäftes den Kuttel Daddeldu schnitzen. So heißt die Kunstfigur, mit der der Künstler, gekleidet in einen Matrosenanzug, nun auftritt.

Das junge Ehepaar ist also immer wieder für längere Zeit getrennt und führt eine ausführliche Korrespondenz. Daraus kann man die Konfliktpunkte in der Beziehung ablesen: Sie kann nicht gut mit Geld umgehen, er gibt Grund zur Eifersucht, hat doch die junge Frau alles auf eine Karte gesetzt und sich für den lebenserfahreneren Mann entschieden. Auch Wäsche wird mittels Post hin und her geschickt, schmutzig oder gewaschen.

Ein Glücksfall ist für uns heute, dass Lona seine wie ihre Briefe systematisch sammelt, später mit Schreibmaschine abschreiben lässt und eine Kopie an einen Sammler in Halle weitergibt. Auch seine Gedichte & seine ganzen Manuskripte schreibt zunächst sie selbst auf der Schreibmaschine ab, verschickt diese, liest Korrektur der Bücher, die zur Veröffentlichung anstehen, und kümmert sich um weitere Engagements ihres Mannes. Lona scheint alles zu geben, um ihm, den aufsteigenden Star der Kabarettszene, zu unterstützen.

Eher selten kann sie ihn an seinen Auftrittsorten besuchen, dazu ist dann doch nicht genug Geld da. Während er zwei Singlereisen - 1925 nach Paris und 1928 nach London - unternimmt, beschränkt sie sich auf Familienbesuche in Rastenburg und sucht Unterhaltung & Abwechslung in München - die Stadt mag sie inzwischen gern. Ihre anfängliche Zurückhaltung in der Münchner Gesellschaft legt sie bald ab, kann locker Konversation betreiben und wird sehr beliebt in einem immer umfangreicheren Freundeskreis, darunter auch etliche künstlerisch tätige Frauen. Eine Freundschaft entwickelt sich auch mit dem Ringelnatz-Verehrer Dr. Julius Gescher aus Traben-Trarbach an der Mosel, der das Paar 1925 zum Weihnachtsfest in das Haus seiner Mutter einlädt.

Sie wird auch immer versierter im Umgang mit Verlagen & Verlegern, lernt Einzelheiten der Buchherstellung kennen, die Bedeutung von Rezensionen, Honoraren und Tantiemen. Zunächst erscheinen nur kleine Heftchen mit Ringelnatz-Poemen von weniger als 20 Seiten bei Alfred Richard Meyer, später entwickelt sich der Kontakt zum Verlag Kurt Wolff und die ersten, bis heute bekannten Gedichtbände kommen heraus. Auch Prosa von ihm wird ab 1922 veröffentlicht. Später wird er seine Bücher selbst illustrieren oder die Umschläge entwerfen. Schließlich kann er über die Berliner Galerie von Alfred Flechtheim Bilder im Wert von 64.000 Mark verkaufen, was er seiner Frau mit Freuden mitteilt.

Lona in München ist nun sein unabkömmlicher  "Lebensadjudant", führt all seine Bücher, was dem Ordnungsmenschen sehr wichtig ist, einmal darüber, wann & wo welcher Text angenommen worden ist, wie hoch das Honorar bzw. wann es gezahlt worden ist. Ein anderes Buch vermerkt, wann welches Manuskript verfasst und/oder gegebenenfalls überarbeitet worden ist. Und dann gibt es noch ein "Kritikenbuch" bzw. ein Adressbuch ( vergleiche auch dieser Post ).

Lona sammelt auch in Umschlägen die Kabarett-Plakate von seinen Auftritten, alles gesondert in Kartons mit "Erledigt" oder "Unerledigt" auf dem Etikett. Ihr Mann hat durchaus selbst einen Überblick, aber die Kontakte zu den verschiedenen Kabaretts hält Lona und schreibt dafür launige Briefe, von denen selbst er entzückt ist.

Seine Reisen als Künstler kommen dem natürlichen Drang des Dichters nach Veränderung, nach Erlebnis und Abenteuer lange entgegen, erschließen sie ihm doch neue Schauplätze und bringen Inspiration für immer neue Gedichte, die unterwegs notiert werden. Doch Lona nimmt auch immer mehr die Schattenseiten dieses Lebens wahr:

"Abgesehen von den wenigen literarischen Kabaretts, wie Wolzogens Schall und Rauch oder der Wilden Bühne der Trude Hesterberg in Berlin, mußte Ringelnatz sowohl in Berlin als auch in anderen Städten in ganz gewöhnlichen Tingeltangels zusammen mit Tanz-Girls, primitiven Komikern usw. auftreten."

Gegen Ende der zwanziger Jahre erstarkt zudem die politische Reaktion deutlich, und das Leben als Kabarettist wird durch den wachsenden Nazieinfluss immer mehr erschwert. Besonders in München, der von diesen anmaßend als "Hauptstadt der Bewegung" beanspruchten Stadt, verschlechtert sich das politische wie das kulturelle Klima zusehends. "Aus der dümmsten Stadt in der Welt" ziehen die Ringelnatz schlussendlich im Frühjahr 1930 nach Berlin und richten sich in einer Atelierwohnung am Sachsenplatz ein. Sie sind jetzt 32 bzw. 47 Jahre alt.

Wohnhaus Sachsenplatz, heute Brixplatz
Wirtschaftlich geht es ihnen zunächst ganz gut. Lona kann als freie Mitarbeiterin im Verlag Internationale Bibliothek arbeiten, fertigt Übersetzungen an, vervollkommnet ihr Fähigkeiten auf der Schreibmaschine und lernt Spanisch. Das Paar wohnt in einem Teil der Stadt, in dem Prominente ihre Nachbarn sind wie Paul Hindemith, Max Schmeling und Anny Ondra, Veit Harlan und die Schauspieler Hilde Körber & Walter Rilla, Heinrich George, Berta Drews, Paul Wegener zu ihrem Freundeskreis gehören. Auch intensiviert sich der Kontakt zu Asta Nielsen & Renée Sintenis. Noch herrscht ein fröhliches Miteinander und ein tolles Einweihungsfest wird am Sachsenplatz gefeiert.

Beim "Geheimen Kinder-Spiel-Buch" ( 1931) verlangt die Zensurbehörde den Vermerk "Nur für Erwachsene" auf dem Einband. Bald dürfen einige der Ringelnatz - Gedichte aus vorwiegend moralischen Gründen nicht mehr veröffentlicht werden. Das schränkt die Existenzgrundlage des Ehepaares ein. Dennoch gewinnt Lona immer mehr Selbstsicherheit & Selbstbewusstsein, kontrolliert die Tantiemenzahlungen und managt Konflikte ihres sehr leicht aufbrausenden Mannes geschickt. Was die Bewältigung des Alltags anbelangt, ist sie ohnehin die Überlegene. Auch schafft sie sich ein weiteres Standbein als Lehrerin für Stenografie.

Den Beeinträchtigungen, denen sie sich durch den Umzug aus München zu entgehen gehofft hatten, entgehen sie aufgrund der hitlersche Machtübernahme nicht. Ringelnatz - Veröffentlichungen bei Rowohlt befinden sich zunächst in der Grauzone und im Juli 1933 kann noch die Gedicht-Sammlung "103 Gedichte" publiziert werden. Im Oktober erhält er dann allerdings ein Auftrittsverbot. Dass es dem Dichter auch physisch nicht gut geht, ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu übersehen.

Einmal noch darf Ringelnatz zu einem Gastspiel in die Schweiz reisen. Todkrank kommt er im Februar 1934 mit dem Flieger nach Berlin zurück. Seine seit langem schwelende Magen- und Lungentuberkulose ist zum Ausbruch gekommen. 

Der Freund Julius Gescher verschafft ihm über seinen Freund, den Arzt & Dichter Gottfried Benn, einen Platz im Sanatorium "Waldhaus Charlottenburg" in SommerfeldDen Sommer 1934  kann er noch dank eines Spendenaufrufes von Freunden in dem Sanatorium in der Nähe von Berlin verbringen. Lona besucht ihn regelmäßig, liest ihm englischsprachige Literatur vor, aber auch Märchen, spielt mit ihm Schach, packt ihm kleine "Scherzverschen" unters Kopfkissen oder lässt diese ihm beim Frühstück durch die Schwester zukommen. Aber auch mitgebrachter Alkohol ist ihm ein Trost.

Über den Stand seiner Erkrankung unterrichtet ihn sein Arzt bewusst nicht. "Sie ist über seinen Zustand aufgeklärt", schreibt ihre Biografin Barbara Hartlage - Laufenberg hier. "Aber glauben will sie es nicht."

Im Oktober kehrt er in die gemeinsame Wohnung zurück, schreibt immer noch, hat literarische Pläne. Seine Frau spricht von einem "traurigen Idyll" und lebt mit ihm in dem Bewusstsein, dass das Ende nah ist. Am 17. November 1934 ist die Lebenskerze des Joachim Ringelnatz' dann abgebrannt. Die 36 Jahre alte Lona steht nun alleine da. Den Rest ihres Lebens wird sie sich darum bemühen, dass sein Werk überlebt. Nachlasspflege und alltäglicher Existenzkampf werden die nächste Zeit prägen.

Lona muss die Wohnung aufgeben und zieht in die Achenbachstraße, vergräbt sich jedoch nicht. Sie nimmt eine Stelle beim Kunst- & Antiquitätenhändler Wertheim an - auf die Tantiemenzahlungen von Rowohlt kann sie sich nicht verlassen. Sie tippt weiter unveröffentlichte Ringelnatz - Texte ab und bereitet Schwarzweiß-Fotos von 20 seiner Gemälde vor.

Mit dem gemeinsamen Freund Hans Siemsen, Exilant in Frankreich, unterstützt vom Lektor Franz Hessel ( siehe auch dieser Post ), bringt sie seine noch unveröffentlichten Texte heraus ( "Der Nachlaß", 1935 ) und stellt mit u.a. dem Verleger Karl Heinz Silomon das Buch "In memoriam Joachim Ringelnatz" zusammen, das 1937 als Privatdruck in kleiner Auflage erscheint, finanziert durch einen Mäzen und eine erste aussagekräftige Darstellung seines Lebens und Wirkens. Wäre dieses Buch in falsche Hände geraten, hätte das für Lona den Weg ins KZ bedeutet...

Ihre Arbeit bei Wertheim verliert sie, als der innerhalb von vier Wochen sein Geschäft schließen muss, kommt aber zu einer Halbtagsstelle bei einem Städtebau-Architekten und wird freie Lektorin bei Rowohlt, indem sie Gutachten zu englisch- & französischsprachiger Literatur erstellt. An Freund Siemsen schreibt sie einmal: "Mir geht es bis auf das verlorene Ringelnatz - Dasein gut."

Im Sommer 1938 verliert sie allerdings auch wieder ihre Arbeit bei Rowohlt, weil der Verlag Berufsverbot erhält. Inzwischen hat sich eine romantische Beziehung zu Julius Gescher entwickelt, und Lona ist von ihm schwanger. Ihn zu heiraten, weist sie erst einmal weit von sich. Als der gemeinsame Sohn Norbert am 14. Dezember 1938 gesund zur Welt kommt, ist sie überglücklich & erleichtert, dass sie als Vierzigjährige alles heil an Leib & Seele überstanden hat. Ein paar Wochen später heiratet sie dann doch Julius Gescher, zieht zu ihm und befindet sich erstmals in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen, hat ein Kindermädchen und arbeitet in der Praxis ihres Mannes im Büro. 

Mit ihrem Sohn
( 1942 )

Zu Beginn des Krieges wird Julius Gescher im Berliner Westend für ein Reserve-Lazarett dienstverpflichtet. Dort kann er die Erstausgaben und Gemälde von Joachim Ringelnatz in einem Keller einlagern - zum Glück: Als 1943 bei einem schweren Angriff auf Berlin ihre Wohnung völlig ausbrennt, ist auch Lona mit ihrem kleinen Sohn im Luftschutzkeller des Krankenhauses. Anschließend zieht sie mit dem Jungen zu ihrer Schwiegermutter an die Mosel. Norbert wird dort 1944 eingeschult, Lona hat immerhin Kontakt zu zwei anderen Frauen. Ihr Mann kommt in seinen Urlauben zu Besuch, auch Weihnachten 1944.

Das ist ihr letztes Wiedersehen: Am 25. Mai 1945 stirbt Julius Gescher in Berlin an einer Infektion mit Scharlach, die er sich bei der Operation eines erkrankten Soldaten zugezogen hat. Lona ist noch keine 47 Jahre alt und zum zweiten Mal Witwe, dazu alleinerziehend.

Von Geschers Tod erfährt sie erst Monate später, im Juli gerüchteweise, dann im September amtlich. Sie versucht ein Übersetzungsbüro aufzumachen, verdingt sich dann aber als Dolmetscherin bei der Militärdienststelle in Zell an der Mosel. Erst sind dort Amerikaner, dann Franzosen, auch im Haus der Schwiegermutter einquartiert. Doch Lona will zurück nach Berlin, verträgt sie doch das schwülwarme Sommerklima an der Mosel nicht ( was ich gut verstehen kann ). 

Auf eine Zuzugsgenehmigung muss sie länger warten, und in Berlin braucht sie ja eine Wohnung. Ein Glück ist, dass sie in Berlin den fast zwanzig Jahre jüngeren ehemaligen Drucker & Lektor bei Rowohlt & Kleinverleger während der Nazizeit, Karl Heinz Henssel, kennt. Und der erhält sogar als einer der ersten 1946 von den Alliierten eine Druckerlizenz. Zunächst wird aber nur der kleine Norbert von einer Vertrauten Lonas nach Berlin gebracht, wo er bei den Henssels wohnen kann. Der ist es auch, der Lona zunächst zu einem Zimmer, dann einer Wohnung in Zehlendorf verhilft.

In seinem Verlag kann sie dann auch bald als Übersetzerin und Lektorin für 450 Reichsmark arbeiten. Im März 1949 hält sie ihre erste Übersetzung von Gedichten des späteren Nobelpreisträger Saint-John Perse in den Händen. Sie ist wohl stolz darauf, dass sie Eigenes schaffen kann, und legt Wert darauf, dass sie bei Henssel wie anderen Verlagen als Leonharda Gescher aufgeführt wird.

Nachdem Deutschland durch die Nazis von neuen Entwicklungen auf künstlerisch-literarischem Gebiet ausgeschlossen gewesen ist, besteht ein großer Appetit auf das, was anderswo geschrieben worden ist. Übersetzungen sind also gefragt, und Lona ist da ob ihrer Sprachkompetenz prädestiniert. Zunächst erarbeitet sie allerdings mit Henssel erst einmal ein 500-Seiten- Sammelband mit Ringelnatz-Gedichten, der 1950 unter dem Titel"Und auf einmal steht es neben dir" herauskommt. Zum 70. Geburtstag ihres Mannes 1953 kommt eine billigere Ausgabe mit Gedichten in die Buchhandlungen, von ihr ausgewählt.

Ab 1954 erscheinen drei ihrer Übersetzungen der Bücher von Monique Saint-Hélier, einer Schweizerin & Freundin Rilkes, im Suhrkamp Verlag. 

Für diesen Verlag übersetzt sie auch "Moderato Cantabile" von Marguerite Duras ( siehe dieser Post ) und für den Verlag Hoffmann & Campe Michel de Castillos "Elegie der Nacht", ein Buch, dass die Leser der Nachkriegszeit aufrüttelt. Der Autor beschreibt darin die Leidensgeschichte des Jungen Tanguy im KZ Mauthausen - seine eigene Geschichte! 1960 wird diesem Buch der Sonderpreis des Deutschen Jugendbuchpreises verliehen. Ein kleiner Erfolg auch für die Übersetzerin!

Für Henssel überträgt sie auch 1956 "My Left Foot" ( dt. "Mein linker Fuß" ) des Dubliners Christy Brown, 1957 "Haunted Land" ( dt. "Wir sind erst achtzehn doch alt wie Berge" ) des Australiers Randolph Stow und 1958 "The Lost World of the Kalahari" ( dt. "Die verlorene Welt der Kalaharen" ) des Südafrikaners Laurens van der Post, alle aus dem Englischen. In den 1960er Jahren vertraut ihr der Rowohlt Verlag Texte des bedeutenden afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin an, die in ihrer Übersetzung 1963 herauskommen: "Schwarz und Weiß oder Was es heißt, ein Amerikaner zu sein" ( verärgert ist sie, weil bei diesem Buch der Name "Ringelnatz" verwendet wird ). Insgesamt übersetzt sie in der Nachkriegszeit neunzehn Bücher.

Lona (1959), Norbert Gescher (o.J.)
Außerdem veröffentlicht Lona 1964 einen Teil der Briefe, die Ringelnatz ihr geschrieben hat, versehen mit erläuternden Zwischentexten unter dem Titel "Reisebriefe an M". In diesem Fall, die mit dem Werk von Ringelnatz zu tun haben, tritt sie wieder als Muschelkalk Ringelnatz auf, sie nutzt also unterschiedliche Namen, um jeder ihrer verschiedenen Lebenssituationen ihr Recht zu lassen. Sie wird betonen, dass ihr ihre Nachkriegstätigkeit ein Stück eigenes Leben bedeutet hat, die ihr auch  durchaus Anerkennung in den Feuilletons  verschafft. Ihr gilt aber auch das Verdienst, dass die Werke ihres Mannes in der Nachkriegszeit gleich wieder präsent sind ( und dadurch sich bis heute großer Bekanntheit & Beliebtheit erfreuen ).

Seit 1957 wohnt Lona in der Klopstockstraße in der Nähe des Bahnhofs Zoo, nachdem der Sohn Abitur gemacht und ein Studium der Theaterwissenschaften aufgenommen hat ( später geht er auf eine Schauspielschule ). Der Sohn wird auch die Nachlassverwaltung für Joachim Ringelnatz & seine Werke übernehmen.

Zu Beginn der 1970er Jahre lassen Lonas geistige Fähigkeiten nach und sie kann nicht mehr alleine leben. Ihr Sohn dreht mit seinem Freund Dieter Schwarz 1972 einen 30-minütigen Film, der an ihrem 75. Geburtstag 1993 vor einem kleineren Kreis aufgeführt wird.

Schließlich wird Lona in der Bonhoeffer- Klinik, einer Einrichtung für psychisch Kranke, untergebracht, die damals auch Menschen mit Demenz aufnimmt. Doch Sohn Norbert übernimmt die Vormundschaft und Verleger Henssel erreicht über einen befreundeten Arzt, dass sie in einer Klinik des Theodor-Wenzel-Werks untergebracht wird. Die Ringelnatz - Tantiemen reichen für die Finanzierung des Aufenthaltes. Dort stirbt Lona Ringelnatz am 26. Februar 1977 mit 78 Jahren. 

In seiner Todesanzeige im Berliner "Tagesspiegel" bittet der Sohn um Spenden für die "Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" statt Blumen & Kränzen - eine Hommage an ihren ersten Mann, der das Meer über alles geliebt hat. Sie selbst ruht auf dem Friedhof Heerstraße im heutigen Ortsteil Berlin-Westend an der Seite ihres zweiten Mannes Julius Gescher.

2020/21 sorgt eine Ausstellung im Cuxhavener Ringelnatz-Museum dafür, dass mit dem Namen "Muschelkalk" eine ganz konkrete Person, eine Frau aus Fleisch & Blut, die mehr als die Hälfte ihres Lebens ganz für sich allein existiert hat, verbunden werden kann - gut so, finde ich.

       

 

Auch heute wieder die Verlinkungen zu den Posts der Frauen, die in der vergangenen Woche einen Gedenktag hatten: