Donnerstag, 19. Juni 2025

Great Women #421: Lilli Jahn

Es ist ein Zufall, dass ich in diesem Monat lauter jüdische Frauen an dieser Stelle porträtiere, die die Phase des Nationalsozialismus in Deutschland auf verschiedenste Weise erlitten haben. Heute steht allerdings eine Frau im Mittelpunkt, die das Schicksal der sechs Millionen ermordeten Juden & Jüdinnen geteilt hat. Als ich von ihr gehört habe, war ich doppelt erschüttert, war sie doch die Mutter des Justizministers, gegen den ich mit der Frauenbewegung der 1970er wegen seiner Politik zum § 218 agiert habe. Dass er selbst diese Wurzeln hatte, hat er selbst nie kundgetan. Heute mache ich euch also bekannt mit Lilli Jahn.
Am 5. März 1900 kommt Lilli Jahn in Köln als Lilli Schlüchterer in einer wohlhabenden, liberalen  & assimilierten jüdischen Unternehmerfamilie zur Welt. Ihre Mutter ist Paula Balwine Schloß, 25 Jahre alt, ihr Vater Josef Schlüchterer, 37 Jahre alt,  ursprünglich wie die Familie von Lillis Mutter aus Franken stammend. 
1916

Die Familie Schloß ist von dort aber nach Halle an der Saale gezogen, wo Lillis Großvater ein Import-Export-Unternehmen geführt hat, was ihm eine gewisse Wohlhabenheit eingebracht und Tochter Paula zu einer guten Partie gemacht hat. Der Großvater väterlicherseits hingegen ist Herrenschneider in einem kleinen Dorf gewesen. Vater Josef hat schließlich nach Jahren in Handelshäusern in Stuttgart, London, Paris zusammen mit zwei Kompagnons in Solingen eine Fabrik für Bürsten & Rasenmäher aufgezogen.

Die Mutter Lillis hat noch eine starke Bindung an ihre Religion, während Vater Josef die Kontakte zu liberalen Kreisen vorzieht. Er respektiert allerdings die Empfindungen seiner Frau.

Die Schlüchterers bewohnen in der Bismarckstraße 29 im sogenannten Belgischen Viertel der Kölner Neustadt- Nord eine großzügige Wohnung. Im Juni 1901 bekommt das Paar noch eine Tochter, Elsa. Man nimmt am kulturellen & sozialen Leben teil und freut sich 1907, als der jüdischen Familie die preußische Staatsbürgerschaft verliehen wird.

Kaiserin-Augusta-Schule

Im Jahr zuvor ist Lilli eingeschult worden, in ein Privat-Lyzeum für höhere Töchter, wechselt dann auf das Real-Gymnasiums der Kaiserin-Augusta-Schule, nach der Großmutter des regierenden Kaisers Wilhelm II. benannt und seit 1907 am Karthäuserwall in der Kölner Südstadt ansässig. 

Es ist noch Krieg, als das Mädchen sich auf das Abitur vorbereitet, welches sie durch erfolgreiches Absolvieren aller Klausuren Ostern 1919 besteht.

Lilli will Ärztin werden, ein akademisches Fach, welches Frauen ab 1899 zu studieren möglich ist. Im Hinterkopf hat sie, die Kinderarztpraxis ihres Lieblingsonkels Josef Schloß in Halle zu übernehmen. Lilli macht nun während ihrer Studienzeit die Runde durch die weit verzweigte Familie, denn ihre Eltern halten es für notwendig, dass das Mädchen unter Aufsicht während des Studiums bleibt. Sie startet in Würzburg und geht nach einem Jahr nach Halle, wo sie bei der gestrengen Großmutter wohnt. Nach dem Physikum zieht sie im November 1921 nach Freiburg i.Br., wo eine etwas ältere Cousine lebt. Schließlich kehrt sie ins Kölner Elternhaus zurück. Das Staatsexamen legt sie 1924 in Köln ab, wo sich die materielle Lage der Familie in dieser Phase der Inflation nicht immer zum Positiven verändert hat. Ein Jahr später erhält sie ihren Doktortitel.

Schon im Sommer 1923 hat Lilli die Bekanntschaft mit dem frisch examinierten Arzt Ernst Jahn gemacht. Nach einigen oberflächlichen Liebeleien vorher verliebt sie sich ihrerseits wohl sehr ernsthaft in den jungen Mann.

Der 23jährige Jahn weist einen ganz anderen familiären Hintergrund auf als die jüdische Tochter aus gutem Hause: Schon früh verwaist - 1905 verliert er den Vater, 1913 die Mutter - wird er in der Familie hin- und hergeschoben, ist zwar Protestant, hat aber eine starke Affinität zum katholischen Glauben. Durch die Inflation ist das Erbe seiner Mutter "aufgefressen" und er inzwischen bettelarm. Jahn leidet an seinem Schicksal, verständlicherweise, seine melancholische Art bringt ihm gleichwohl viel weibliche Fürsorge & Empathie ein. Nun, nach erfolgtem Examen, ist er auf eine feste Anstellung als Arzt angewiesen, kann sich aber nur mit diversen Praxisvertretungen über Wasser halten, sowohl im Rheinland wie in Sachsen. 

Während er einen Arzt in Immenhausen bei Kassel vertritt, legt Lilli in Köln das Staatsexamen ab und arbeitet nebenher im "Israelitischen Asyl für Kranke und Altersschwache" in Köln- Ehrenfeld. Ihrem "Amadé", so nennt sie Jahn zärtlich, unterbreitet sie in ihren Briefen ihre Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft. 

Unterschiedlicher könnten die Temperamente jedoch nicht sein: Sie, eine lebenslustige junge Frau, vielseitig interessiert an Kunst, Literatur, Musik, an Theater- & Konzertbesuchen, aber auch eigenem Musizieren, schwärmt für Hölderlin, Kleist & Nietzsche. Er eher ein Eigenbrötler mit einem Hang zur Schwermut und Frömmelei, mit einem "disharmonischem Klang" in seinem Leben.

Lilli offeriert ihm auch, ein paar Tage bei ihrer Familie zu wohnen, nachdem sich Jahns Praxisübernahmepläne in Hessisch-Sibirien zerschlagen haben und er nach (Bad) Honnef bei Bonn kommen will, um dort zu arbeiten. Seine ungewisse Situation verschlechtert seine Stimmungslage, und er sucht Halt bei alten Freunden, vor allem aber Freundinnen - eine Belastung für die Beziehung! Lillis Enkel wird in seinem Buch schreiben, dass allem Anschein nach die Verbindung eine "zuweilen einseitige Angelegenheit" gewesen sei.

Mit Ernst Jahn
(1925)
Die junge Frau selbst vermutet, dass die Komplikationen in ihrem Verhältnis durch ihr Jüdischsein hervorgerufen würden und spricht es in einem Brief an. Im März 1925 schreibt sie ihm, 

"... ob nicht Dir die Ehe mit einer Jüdin in Deinem Beruf und dem Vorwärtskommen Schwierigkeiten bereiten wird, und ich bitte Dich von Herzen, mir mit aller Offenheit darauf zu antworten.

Der in der Weimarer Republik grassierende Antisemitismus liegt also von Anfang an wie ein großer Schatten über diesem Verhältnis. Und Jahn: Der reagiert nicht offen auf ihre Einwände. Er liebt zudem eine andere Frau, und erst als diese, seine große Liebe, ihn für einen anderen verlässt, entscheidet er sich für Lilli. Die, ein Muster an weiblicher Fürsorglichkeit, bietet ihm sogar Hilfe in seiner emotional verwirrten Stimmungslage an! 

Seit Februar 1925 hat der junge Arzt in Immenhausen eine Niederlassung in Aussicht und seinen Wohnsitz dort schon angemeldet.

Lilli wird eine beträchtliche Überredungskunst brauchen, um den Widerstand & die Vorbehalte ihrer Eltern gegen die Verbindung mit einem Nichtjuden zu überwinden. Ihre Eltern scheinen dem labilen Ernst Jahn nicht zuzutrauen, die sich am gesellschaftlichen Horizont abzeichnenden Probleme zu meistern. Lilli hält trotz aller Bedenken zu ihrem Verlobten. In einem anrührenden Brief vom Januar 1926 beschwört der Vater seinen künftigen Schwiegersohn, seiner Tochter die Treue zu halten: "Wir haben Dir ein Teil des Liebsten und Besten, was wir haben, gegeben."

Ernst Jahn wirft seiner zukünftigen Frau vor, zu intellektuell zu sein - sie hat ja auch im Gegensatz zu ihm einen Doktortitel! - und hat wohl auch Vorbehalte gegen eine künftige Berufstätigkeit als Ehefrau, die sie sich aber unbedingt wünscht. Dass sie dem Glauben der Väter treu bleiben will, ist ein weiterer Punkt, der einem sich mit dem Marienkult beschäftigenden Mann nicht passen könnte ( dabei schmückt sie ihm zuliebe ihr Zimmer mit einer Kopie einer Dürer - Madonna! ). Geradezu verwegen, da hoffnungsfroh, strebt Lilli weiter ein gemeinsames Leben an, nicht ahnend, auf welch bitteres Ende das hinauslaufen wird. 

Am 12. August 1926 erfüllt sich endlich ihr Traum: In der Wohnung der Eltern wird die Ehe geschlossen, ein Rabbiner spricht den Segen.

Mit Gerhard & Ilse
(1929/30)
Nach einer Hochzeitsreise nach München geht es nach Immenhausen, einer Kleinstadt mit gerade mal zweitausend Einwohnern, von denen viele in bescheidenen Verhältnissen leben. Die gemeinsam betriebene Hausarztpraxis lässt sich schlecht an. 

Am 27. September 1927 kommt dann auch schon das erste Kind, Gerhard, und Lilli steigt aus der Praxisarbeit aus. Knapp ein Jahr darauf zieht die Familie  in ein eigenes Haus. Dort werden die Töchter Ilse im Januar 1929 und Johanna im Juli 1930 geboren. Die Kinder werden evangelisch getauft und erzogen. Die Jahns verkehren mit den Honoratioren des Ortes. Der jüdische Glaube der beliebten Hausärztin, die regelmäßig die Synagoge in Kassel besucht, spielt zunächst keine Rolle. 1932 stirbt Lillys Vater an einer Hirnblutung. Sie schreibt Freunden im Februar des Jahres:

"Es geht uns gut; wir haben keinen Grund zu klagen, und wenn es natürlich auch Stunden gibt, in denen man die Not und den Druck der Zeit besonders intensiv empfindet und man sich Sorgen betreffs des allgemeinen und des persönlichen Schicksals macht, so glaube ich doch fest daran, daß die natürliche Entwicklung allen Geschehens uns auch aus dieser schweren Zeit wieder herausführen wird."

Als die dritte Tochter Eva am 10. April 1933 geboren wird, ist die "schwere Zeit" durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten doch viel schwerer geworden. Mit den brutalen Auswirkungen ist das Paar erstmals Ende März 1933 konfrontiert worden, nachdem SA-Leute die Immenhausener Sozialdemokraten und Kommunisten verhaftet & gefoltert haben. Die übel zugerichteten Menschen muss Ernst Jahn am nächsten Tag in seiner Praxis verarzten. 

Am 1. April wird seine Praxis dann von den Immenhausener Bürgern in den "Judenboykott" einbezogen. "Wir haben Erschütterndes erlebt. Und könnt Ihr Euch vorstellen, wie mir zumute ist? Könnt Ihr begreifen, wie schwer mir ums Herz ist und wie bitter weh das alles tut?", schreibt Lilli am nächsten Tag einer Freundin. 

Die eben noch angesehene Arztfamilie ist plötzlich geächtet, der Kontakt mit ihr wird gemieden. Lilli zieht sich ganz auf die Familie zurück: Als Ärztin darf sie eh nicht mehr arbeiten, der Doktortitel wird ihr aberkannt und ihr Praxisschild neben der Haustür muss entfernt werden. 

"Im übrigen ist der gesellschaftliche Boykott hier in Immenhausen uns gegenüber von einer ungeahnten Vollkommenheit", teilt sie im Februar 1934 Freunden in Mannheim mit.

Sie mag gar nicht mehr vor die Tür gehen, höchstens in die freie Natur, schickt die Kinder zum Einkaufen. Sie darf an keinen Veranstaltungen mehr teilnehmen, und wenn sie doch in den Ort muss, hält sie den Blick gesenkt, um niemanden in die Verlegenheit zu bringen, sie grüßen zu müssen. Noch ist sie relativ geschützt durch das Konstrukt der sogenannten "privilegierten Mischehe", was soviel bedeutet, dass sie aufgrund der Ehe mit einem protestantischen Arzt später den gelben Stern nicht tragen muss.

Es bedrückt sie sehr, dass ihre geliebten Kinder als "Halbjuden" in der Schule gemieden & zu Außenseitern gemacht werden. Ihnen wird der Zutritt zu den nationalsozialistischen Jugendgruppen verwehrt und das Tragen einer Uniform verboten. "Manchmal weiß ich nicht, woher ich die Kraft nehmen soll, alles zu ertragen", schreibt Lilli im Hochsommer 1935.

Ihre Schwester Elsa, eine promovierte Chemikerin, die in Deutschland ihre Karriere als Wissenschftlerin nicht mehr fortsetzen darf, ist unterdessen schon längst nach Birmingham in England emigriert ( die Mutter Paula wird ihr nach den November- Pogromen im Mai 1939 folgen ). Ihre Freundin Lotte Paepcke, fertige Juristin, ist nach einem Gefängnisaufenthalt zunächst über Zürich nach Rom geflohen, kehrt allerdings zurück um einen Nicht-Juden zu heiraten. 

Familie Jahn
(ca. 1938 )
Elsa Schlüchterer versucht bei einem Besuch in Nazi-Deutschland Ernst Jahns Halbschwester, in Spanien verheiratet, für einen Rettungsplan für die Familie in Immenhausen zu gewinnen, der aber aus Gründen der Machtergreifung der Franquisten letztendlich scheitert.

Lilli hält weiterhin an ihrer Ehe fest, ist bald nur noch die einzige Jüdin vor Ort. Mit Ausbruch des Krieges im September 1939 ist es für eine Flucht nach England zu spät. Lilli bringt sogar noch am 25. September 1940 ein fünftes gemeinsames Kind mit ihrem Mann zur Welt, Dorothea. Die Kinder sind ihr Ein & Alles. Ernst hingegen zieht sich mehr und mehr in sich selbst zurück.

Im Herbst 1941 beginnen die Deportationen der Juden in Richtung Osten. In dieser Region ist die Sammelstelle der Kasseler Bahnhof. Verwandte von Lilli bringen bei ihr ihre "Schätze" unter, bevor sie sich auf den Weg machen müssen. Ernst Jahn, der als Arzt nicht zum Kriegsdienst eingezogen worden ist, hat in seiner Praxis viel zu tun. Eine junge Ärztin, Rita Schmidt, kommt zwecks Ausbildung zu ihm und um ihn zu unterstützen. Nicht nur die Kinder finden diese "Tante" nett, auch der Vater.

Als Gerüchte im Ort aufkommen, die Beiden hätten ein Verhältnis miteinander und ein Kind sei unterwegs, wittert der Ortsgruppenleiter eine Chance - ärgert er sich doch darüber, dass Lilli ohne Judenstern mit der Bahn nach Kassel fahren kann - die einzige Jüdin in Immenhausen endlich los zu werden. Wenn sein Ort "judenfrei" würde, "... würde dies von der ganzen Bevölkerung sehr begrüßt."

Am 16. Februar 1942 bringt Rita Schmidt im Haus der Jahns mit Unterstützung ihres Geliebten und seiner Ehefrau ihre Tochter Magda zur Welt. Zunächst bekommt die junge Mutter Ärger, weil eine "volljüdische" Ärztin bei der Entbindung zugegen gewesen ist. Sie zieht in eine Wohnung nach Kassel, wo sich Ernst Jahn ab da regelmäßig aufhält. 

Die zerrüttete Ehe ist ein kaum zu ertragender Zustand für Lilli wie die Kinder. Im Laufe des Jahres muss sie außerdem ihren Anteil am gemeinsamen Wohnhaus auf ihn überschreiben, ebenso ihr Bankvermögen von zehntausend Reichsmark. Am 8. Oktober 1942 willigt sie offiziell in die Scheidung ein, obwohl ein Ehepaar, von Beruf Rechtsanwälte, Ernst Jahn vor den Folgen einer solchen für seine Ehefrau gewarnt & davon abgeraten hat. Nazifunktionäre beruhigen Lilli zudem, sie müsse sich als Mutter kleiner Kinder keine Sorgen machen, ihr geschähe nichts. 

Für Ernst ändert sich nun vor allem, dass er wieder in die "Volksgemeinschaft" aufgenommen wird. Am 14. November 1942 heiratet er Rita Schmidt. Lilli regelt nach wie vor den gemeinsamen Alltag. Vor den Kindern und den verbliebenen Freunden verheimlicht sie die Scheidung nach wie vor. Sohn Gerhard wird im Februar 1943 als Flakhelfer eingezogen. Der muss sich endlich nicht mehr als Außenseiter fühlen und ist stolz darauf.

Auch Ernst Jahn wird schlussendlich doch noch zum medizinischen Dienst in einem Lazarett in Kassel verpflichtet. Und dann muss auch Lilli auf Befehl des Bürgermeisters Groß Immenhausen verlassen. Am 21. Juli 1943 zieht sie mit ihren fünf Kindern in die Motzstraße 3 in Kassel. Dort, in einem fast leer stehenden Haus, können sie in einer Wohnung im 2. Stock unterkommen. Die beiden älteren Mädchen können weiter ihre Oberschule in der Stadt besuchen, die jüngere Eva darf nur auf die Hauptschule, weil sie ja eine jüdische Mutter hat. Das Immenhauser Haus bezieht unterdessen die neue Ehefrau Jahn. Da begeht Lilli einen folgenschweren Fehler: 

Sie steckt an die Klingel eine Visitenkarte von früher, auf der sie noch als Dr. Lilli Jahn aufgeführt ist, und das auch noch ohne den zweiten, für Jüdinnen obligatorischen Namen Sara! Sie wird denunziert und am 30. August 1943 zur  Gestapo in deren Hauptquartier vorgeladen & dort festgehalten, ein paar Tage später die Wohnung durchsucht. Die Kinder bekommen nur einen kurzen Anruf mit einer lapidaren Information. Nach einiger Zeit des Wartens & der bedrückenden Ungewissheit traut sich die 14 jährige Ilse, nach der Mutter nachzufragen, wird aber ohne Auskunft heimgeschickt & verwarnt. Ihr Vater veranlasst immerhin, dass immer wieder ein Erwachsener bei ihnen ist, zeitweise auch seine neue Ehefrau.

Landesarbeitsanstalt/Gefängnis Breitenau 
(ca. 1920 )

Eine Nachricht, wo die Mutter ist - sie ist nämlich am 3. September in ein Arbeitserziehungslager in einem ehemaligen Kloster in Breitenau südlich von Kassel gebracht worden - bekommen die vier minderjährigen Mädchen eine Woche später. Ilse schreibt sofort. Lilli Jahn hat schon vorher einen Brief verfassen dürfen. Tenor:  

"... ich bin froh um jeden Tag, der vorüber ist. Aber die Tage, bis ich wieder bei euch sein kann, zu zählen, das wage ich noch nicht. Macht euch keine Sorge um mich, es geht mir ganz bestimmt gut, ich bin gesund, und ihr wißt ja, Eure Mutti kann schon immer gut früh aufstehen, und das Arbeiten ist eine Wohltat."

Ilse oder Johanna schreiben ab da ein halbes Jahr lang jeden zweiten Tag an ihre Mutter, die zehnjährige Eva zweimal pro Woche und Gerhard am Wochenende. Sie packen Päckchen mit Sachen, die die Mutter benötigt, darunter auch Lebensmittel. Intuitiv erfassen sie, dass die Briefe für die Mutter überlebensnotwendig sind. Ilse hat durch diese Situation ohnehin die Aufgaben einer Erwachsenen übernommen, ist Ersatzmutter für die kleine Schwester "Dorle", der sie z.B. den dritten Geburtstag ausrichtet. 

Lilli selbst ist nur ein Brief pro Monat erlaubt. Es gelingt ihr allerdings, Papier zu organisieren ( Rückseiten von Medikament-Banderolen ) und diese Nachrichten heimlich zu übermitteln: "...ein guter Mensch hat mir Freimarken und Umschlag geschenkt und wird mir auch morgen diese Zeilen besorgen."

Von den KZ- ähnlichen Lebensbedingungen teilt sie den Kindern in den offiziellen Briefen nichts mit. Und selbst für den treulosen Ex-Mann findet sie noch freundliche, wohlwollende Worte. Aber auch in den anderen Nachrichten versucht Lilli, die Kinder nicht zu schockieren und zu belasten. Wie die mit ihr inhaftierten ausländischen Zwangsarbeiter in diesem Lager, muss sie hart arbeiten, zwölf Stunden täglich, extrem hungern und ist der Kälte ausgesetzt, da nur mit Sackleinen bekleidet, um so gedemütigt & schikaniert eine absolute Unterordnung unter die Nazi-Herrschaft zu erreichen. Lilli Jahn leistet vermutlich Zwangsarbeit für die Pharmafabrik Braun in Melsungen im Zweigwerk Spangenberg ( die Namenslisten sind nach dem Krieg vernichtet worden ), die heute weltweit zu den führenden Herstellern von Medizintechnik- und Pharmaprodukten gehört.

Kassel ist im Oktober 1943 zu 85 Prozent zerstört

Am 22. Oktober 1943 wird Kassel Ziel eines britischen Luftangriffes mit fünfhundert Bombern. Während dieses Angriffs ist die Stiefmutter gerade bei Lillis Kindern. Im Luftschutzkeller überleben sie den Angriff, während ihre Wohnung darüber ausbrennt. Lilli weiß länger nicht, ob sie überlebt haben, hat sie den Feuerschein über der Stadt doch im Lager mitbekommen.

Den Kindern bleibt nichts anderes übrig, als im überfüllten Elternhaus in Immenhausen unterzuschlüpfen ( bis zu zwölf Personen leben nun dort ). Sie versuchen, in zwei kleinen Kammern unterm Dach auf die Dauer völlig unabhängig von ihrer Stiefmutter, mit der es immer wieder Streit gibt, zu leben - "eine Kinderfamilie", so Eva Jahn später. Ilse gibt ihr Bestes, um Bezugsscheine & Lebensmittelkarten für sie zu besorgen. Über ihre Bemühungen berichtet sie der Mutter ausführlich. Die jüngste Tochter "Dorle" wird im Alter betonen, dass zwischen den Kindern & der Mutter eine große Liebe & Nähe trotz der Trennung bestanden hat. Lilli äußert öfter in ihren Briefen, wie stolz sie auf ihre Kinder ist. 

Ihr Sohn Gerhard hält sich derweil lieber beim Vater, für ihn ein großes Vorbild, an seinem Lazarett-Einsatzort auf. Von der Stiefmutter hat er keine gute Meinung. Er scheint allerdings auch zu befürchten, dass die Gestapo auf ihn aufmerksam wird, wird in den Kriegsjahren ja immer wieder über weitere Zwangsmaßnahmen gegen "Halb-" oder "Vierteljuden" nachgedacht. 

Lilli selbst appelliert einmal mit einer heimlichen Botschaft an ihren geschiedenen Mann, ihr zu helfen freizukommen, ist sie doch der Meinung, sie habe ihre Strafe längst abgesessen. Es geschieht nachweisbar nichts, auch trotz wiederholter Bitten der Töchter. Ilse kann ihre Mutter immerhin am 12. Dezember 1943 in Breitenau besuchen, muss sie dort aber mahnen, keine heimlichen Briefe mehr zu schreiben. Die Tochter fleht nach diesem Besuch auch noch einmal den unwilligen Vater an, bei der Rettung der Mutter zu helfen. Was passiert nach diesem Besuch: Lilli traut sich jetzt nur noch selten zu schreiben.

Sie ist bislang ohne jede formale Erklärung im Arbeitslager festgehalten worden. Die Gestapo in Kassel hat sie unterdessen nicht vergessen und das Ziel, die Stadt bzw. die Lager im Reich völlig "judenfrei" zu bekommen, nicht aus dem Auge verloren. Am 17. März 1944 vermerken die Nazis den Abtransport der Lilli Jahn in ihrem Häftlingsbuch. Sie kennt das Ziel der Reise: Von unterwegs  aus Dresden schreibt sie vier Tage später:

"Morgen abend werden wir dann schon in Auschwitz sein. Die Mitteilungen darüber, wie es dort sein soll, sind sehr widersprechend. [...] Und nun lebt alle miteinander nochmals wohl  [...] Gott behüte euch! Wir bleiben unlöslich miteinander verbunden...."

Vorher hat sie noch einer Mitgefangenen oder Wärterin die 250 Briefe ihrer Kinder aushändigen können. Verwahren wird sie Lillis Sohn, ohne dass die Schwestern davon wissen.

Die Indizien sprechen dafür, dass der Transport am 22. März im Vernichtungslager eintrifft. Die Kinder hören über Wochen nichts mehr von ihrer Mutter. Dann, im Juni 1944, trifft ein Brief an Lillis Schwägerin Lore ein, datiert vom 5. Juni, offensichtlich nicht von Lillis Hand und mit einer ganz zittrigen, kaum leserlichen Unterschrift unterzeichnet. Darin steht, dass es ihr gut gehe und sie in ihrem Beruf als Ärztin arbeiten könne und sie auf Briefe hoffe. 

Dieser Brief war erst wenige Tage zuvor nach Immenhausen gelangt, da meldet sich die Gestapo am Telefon und teilt Rita Jahn den Tod Lillis ohne Angabe einer Todesursache mit. Die Kinder wollen es zunächst nicht wahrhaben und verlangen - vergeblich - schriftlich von der Lagerleitung Auskunft. Gleichzeitig werden sie nun auch weiteren Schikanen unterzogen: 

Ilse & Johanna müssen die Oberschule verlassen, Gerhard wird als Luftwaffenhelfer suspendiert und zum Arbeitsdienst eingezogen. Aber auch Ernst Jahn hat Folgen zu spüren und wird als Arzt an die Front im Baltikum abkommandiert.

Erst im Oktober 1944 erhält die Familie die offizielle Sterbeurkunde des Standesamtes II Auschwitz, ausgestellt am 28. September, der Bürgermeister Immenhausens zeitgleich die Kennkarte Lilli Jahns. 

"Das wars. Wir wussten nicht warum, wie, wo. Wir als Kinder verstanden natürlich überhaupt nicht, unter welch dramatischen Lebensumständen unsere Mutter hatte leben müssen, die Schwere des Leidens", so äußert sich Tochter Eva im Alter.

Erinnerungsstätte auf dem Jüd.
Friedhof in Köln-Bocklemünd

Bedroht bleiben die Kinder noch bis zum Ende des Krieges aus vielerlei Gründen. Erst die einrückenden Amerikaner verhaften Lillis Immenhausener Gegenspieler, den Bürgermeister Groß. Gerhard kann noch einige seiner Schriftstücke, die gegen seine Mutter gerichtet gewesen sind, vor der Vernichtung bewahren. 

Sein Verhältnis zur Stiefmutter spitzt sich in jenen Tagen immer mehr zu. Ilse deeskaliert, und Gerhard zieht schließlich 1946 zur Pfarrersfamilie Lieberknecht, Freunden seiner Mutter, nach Kassel, um das Abitur nachzuholen. 

Im Sommer 1946 kehrt auch Ernst Jahn aus der Gefangenschaft zurück. Doch seine Familie ist zerstört. Die Töchter meiden - mit Ausnahme von Dorothea - den Kontakt zu ihm. Im Februar 1948 holt Großmutter Paula Schlüchterer mit ihrer Tochter Elsa Johanna und Eva nach Birmingham, nach Ilses Abitur folgt auch diese mit der Jüngsten. Die Mädchen werden Krankenschwestern bzw. Krankengymnastin. Ernst Jahn wirbt bis zuletzt um die Liebe & das Verständnis seiner Kinder, und Dorothea, erst acht Jahre alt, kehrt schließlich wieder zu ihm nach Immenhausen zurück. Die großen Schwestern verheiraten sich in den 1950er Jahren nach Deutschland, nur Eva bleibt für immer in England bei ihrer Oma, die dort mit 97 Jahren stirbt. Ernst Jahn stirbt schon 1960.

1971
Gerhard Jahn studiert schließlich Jura in Marburg, macht als junger Anwalt Karriere in der SPD, wird 1957 Bundestagsabgeordneter, dann 1967 Parlamentarischer Staatssekretär und 1969 Minister unter Kanzler Willy Brandt. Da habe ich mich als junge Frau an ihm abgearbeitet und war deshalb ziemlich erschüttert, als ich zu Beginn des neuen Jahrtausends erfuhr, welches Familiengeheimnis er getragen hat.

Wie es zu dieser Offenbarung gekommen ist, wie das Tabu über die Geschichte der Lilli Jahn von ihrem Enkel Martin Doerry mit Einverständnis der Tanten gebrochen worden ist, mag ich jetzt nicht mehr weiter aufschreiben. Zu sehr hat mich dieses Schicksal beschäftigt, ist mir wieder einmal aufgestoßen, zu welcher Willkür & Grausamkeit Menschen bereit und fähig sind, die manche ihrer Mitmenschen nicht als gleichwertig betrachten, aus der Gemeinschaft ausgrenzen und diese spalten, Rechtsstaatlichkeit verachten, Gesetze brechen und ihre ganz eigenen, speziellen Ideologien allen anderen aufzwingen. Dieses enge "Teutschsein", das wusste schon Heinrich Heine, geht mit absoluter Gefühlskälte einher, das Herz ziehe sich gegenüber allen Nicht-Deutschen "zusammen wie Leder in der Kälte".

Mit diesen Gefühlen & Gedanken habe ich diesen Post nur abschließen können.

                                                                                          

Und nun wieder die Möglichkeit,
ältere Great-Women-Posts zu lesen
zu Frauen, die in dieser Woche einen Gedenktag hatten:

Sonntag, 15. Juni 2025

Monatsspaziergang Juni 2025

Anderthalb Kilometer von meiner Wohnung entfernt liegt in der Kölner Neustadt-Nord am Neusser Wall unweit der Inneren Kanalstraße das Fort X, in dem sich ein zauberhafter Rosengarten befindet. Dorthin nehme ich euch im Rosenmonat Juni einmal mit.

Das ist eine richtig verkehrsreiche, durchaus gefährliche & stauträchtige Kreuzung, die ich diagonal überqueren muss...

... um in dieses Grün eintauchen zu können. 




Diese baumbestandene Grünanlage befindet sich auf dem "Gürtel" um das linksrheinische Köln, den die Preußen ab 1816 angelegt haben. Auf diesem Geländestreifen sollten elf Forts zur Verteidigung angelegt werden, um Köln zur größten Festungsstadt im Deutschen Reich zu machen. Von den Geplanten sind schließlich nur fünf realisiert worden, darunter eben dies mit der Ziffer X, um das es heute geht ( Fort 1, die Rheinschanze, habe ich auf diesem Spaziergang vorgestellt ). Der Friedensvertrag von Versailles vom Sommer 1919 sah die Schleifung, also den Abriss des Befestigungswerkes vor. An deren Stelle sollten "Grünanlagen für das soziale Bedürfnis" entstehen, beauftragt wurde damit der bei mir schon oft erwähnte legendäre Gartenbaudirektor Fritz Encke



Encke ließ das Fort 1921 bestehen, gestaltete es um als "grünes Fort" und legte auf der Enveloppe ( i.e. die zweite Umwallungslinie einer Festung ) einen symmetrischen Rosengarten an. Gefördert wurde dieses Vorhaben vom damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, einem legendären Rosenliebhaber, dem 1954 Mathias Tantau jun. eine rote Neuzüchtung gewidmet hat.


Auf diese Enveloppe führt ein etwas steilerer Pfad, den ich genommen haben, um den im Juli 2013 sanierten und neu gestalteten Rosengarten mit seinen ungefähr 2.000 Rosen in 40 verschiedene Sorten auf zwei Hektar Fläche zu bestaunen.





Gleich zu Beginn habe ich eine gute alte Bekannte getroffen, die "Eden Rose 85'", die auch in meinem Garten steht. In Frankreich heißt die schöne  Rosensorte übrigens "Pierre de Ronsard" und wurde von Marie-Louise Meilland gezüchtet.

"Ulmer Münster", ebenfalls eine Strauchrose, diesmal von Reimer Kordes gezüchtet.

"Ruut un wies", die kölschen Farben natürlich... Hier ist das Weiß vertreten durch "Alabaster" vom Rosenzüchter Tantau.

Die Beetrose "Goldmarie 82" von Kordes dominiert die großen Beete.

Eine der verbreitetsten Rosen der Welt: "Gloria Dei".

Magentafarben & wunderschön, aber ihren Namen hat sie mir nicht verraten. Ich tippe auf "Für Elise" von Kordes. Mit der Beetrose hat sie auch die Blütenform gemeinsam. Sie ist dem Bonner Komponisten Ludwig van Beethoven zu Jubiläumsjahr 2020 zugeeignet worden.


Die Anlage ist nur von Mai bis Oktober inklusive und zwischen sieben & zwanzig Uhr geöffnet ( am Wochenende ab neun Uhr ) - von daher ein beliebter Rückzugsort, weil nicht überlaufen. Genug Sitzplätze gibt es auch.


Es gibt auch eine Art Pavillion, schön, um im Schatten zu sitzen.





Davor vier große kunterbunte Beete.

"Peter Frankenfeld" wächst dort...




... und "Ave Maria", eine Edelrosenzüchtung von Reimer Kordes.

Die Anlage ist eingezäunt und von großen Bäumen umstanden, darunter etliche Blutbuchen.


Von dort oben kann man über eine Hecke hinunter sehen auf den Spielplatz, auf dem ich vor vierzig Jahren mit meiner kleinen Tochter war, um mich mit Kolleg*innen und deren Kindern zu treffen und nebenbei schulische Probleme zu bekakeln.

Die Färbung der "Speelwork" passt zu dem Rot der hölzernen Eisenbahn.

Die Anlage ist übrigens Vorbild gewesen für eine Szene in Heinrich Bölls "Gruppenbild mit Dame". Der Nobelpreisträger hat im angrenzenden Agnesviertel gewohnt. Seit 2008 ist der Rosengarten ein Teil des Hilde - Domin -Parkes. Die Lyrikerin ist 1909 im Agnesviertel geboren &  bis 1929 aufgewachsen ( im Juli wird es einen "Great-Women-Post" zu ihr in meinem Blog geben ).

Bedauerlich, dass das Internet keine olfaktorische Dimension hat! Ich hoffe, der Spaziergang hat dennoch gefallen. Verlinkt ist er wieder mit Heike/3hefecit.

                                                                                         

Samstag, 14. Juni 2025

Meine 24. Kalenderwoche 2025

 "Wir können uns nicht daran erinnern, 
was vor uns hier lebte, 
und wir können nicht lieben, was nicht ist. 
Ebenso wenig können wir uns vorstellen, 
was anders sein wird, wenn wir tot sind. 
Wir leben unsere siebzig plus Jahre aus
 und knüpfen unsere Knoten 
und Schnüre nur an uns selbst. 
Wir trösten uns mit Bildern 
und fegen dabei die Hügel der Geschichte blank."
Helen Macdonald, Schriftstellerin


Es ist mir immer wieder aufs Neue eine Freude, dass ich mich beim Obst- & Gemüsehändler an der Neußer Straße mit Vitaminen eindecken kann, vor allem in den Mengen, die ich als Einzelfrau verschnabulieren kann, bevor etwas schimmelt. Essen sei ja der Sex des Alters, soll der legendäre &  wunderbare Hanns Dieter Hüsch gesagt haben, den mein Mann selig geschätzt hat. Wenn's nichts anderes ist... 
Zum Glück hatte ich mich schon eingedeckt, bevor es dann schauerlich & schwül wurde.



Zum Glück hatte mich auch am Samstag "mein" kurdischer Paketbote mit einem neuen Bücherpaket versehen, so dass ich guten Gewissens dem unschönen, aprilgemäßen Pfingstwetter auf meinem Lieblingsplatz trotzen konnte. Am Abend des Pfingstsonntags hatte ich 22ml im Regenmesser, also 22 Liter/m². Ganz schön!



Frau kann allerdings nicht dauernd auf dem Allerwertesten sitzen & unendlich viel Wissen ansammeln. Ich hab's tatsächlich geschafft, eine größere Regenwolkenlücke abzupassen und rauszugehen.



Die Pfützen vor allen Sitzbänken waren beeindruckend ( das Grün des Rasens auch ). Hab ich halt im Stehen mit einer ehemaligen Schülerin nett geplauscht. Nippes ist ein Dorf, zu meinem Glück.



Bevor die Spargelsaison in zwei Wochen zu Ende ist, muss ich ihn noch mal genießen. Diesmal als Flammkuchen. In München hat sich währenddessen ER wieder bei den Mädchen gemeldet...


Köln, wie es singt und lacht!- Hoppla, ich weiß, das ist ja das Karnevalsmotto von Mainz. Gelacht hab ich allerdings auch, vor allem angesichts des Eisbechers: Neuer Geschmacksfavorit: Amarena.

Weiße Fahnen über der der Hohe Straße! Der "Kölner Stadtanzeiger" schreibt dazu:  
"Sie sehen fast ein bisschen festlich aus, sollen aber in erster Linie durch ihren Schattenwurf bei sommerlichen Temperaturen für eine leichte Abkühlung sorgen. Durch das Projekt "Klimalabor Kölner Innenstadt", hinter dem die Uni Köln und die Aachener Grundvermögen, einer der größten Immobilienbesitzer in der City, stehen, wird die "Verschattung" wissenschaftlich begleitet. Geographie- und Meteorologie-Studenten werden die Temperaturentwicklungen in den Bereichen mit und ohne Flaggen auswerten, entsprechende Messstationen sind installiert.

Organisiert wurde die Aktion vom Kölner Stadtmarketing. Mit dieser Kooperation würden erstmalig kontinuierliche und hochauflösende Messungen in einer Fußgängerzone einer großen deutschen Stadt gemacht, hieß es. Die Ergebnisse könnten dann die Grundlage für weitere Schritte in anderen Einkaufsstraßen sein. Finanziert wird die Beflaggung unter anderem von Stadt und Bund."

Damit hätte ich auch schon meine Antwort auf der Zitronenfalterins zweite Fotofragezeichen - Frage: "Welche Frage liegt Dir gerade auf dem Herzen?" Na klar die: "Was tun angesichts der Klimaerwärmung?" Mir graut jetzt schon vor den Sommermonaten und den Temperaturen über dreißig Grad. Da muss frau sich in der Innenstadt in alte Gemäuer flüchten wie die von St. Kolumba.

( Die erste Frage habe ich schon gestern hier floristisch-fotografisch-verbal beantwortet ).



Frau K. liiiebt Aprikosen. Das ist ihr Alleinstellungsmerkmal in der großen Familie. Da war es zu verlockend, über Crowdfarming eine Kiste aus Kalabrien zu bestellen. Die sind so lecker! Gleichzeitig brachte mir der Postler ein liebenswürdiges, da antiquarisches Mitbringsel von der Höri, welches Sieglinde dort bei ihrem Bodenseeurlaub für mich gefunden hat. Dankeschön, du Liebe! Es passt!




Den 12. Juni hatte ich ja schon bei der 12 von 12 - Challenge "verpostet", habe aber auch noch so viele andere Fotos von meinem Ausflug in die Stadt meiner Kindheit & Jugend, dass es auch noch welche in diesen Wochenrückblick geschafft haben.









Zum Beispiel diese Stickerei auf einem Sesselbezug, den Elisabeth Erdmann - Macke nach Entwürfen ihres Mannes gestickt hat.





Ich mag die Farben der Kopie der Wandmalerei in August Mackes Atelier.

Witzig: Auf dem mit einer alten Straßenkarte bedruckten Parketboden im Macke - Haus habe ich doch glatt die Straße entdeckt, in der ich fünf Jahre als Studentin gewohnt habe. Die Stockrose habe ich allerdings an einer anderen Straße gefunden.



Am Freitag dann also der bisher heißeste Tag dieses Jahres ( 32°C ). Bin mit Kopfschmerzen wach geworden ( schon seit ewigen Zeiten keine mehr gehabt ) und habe es vorgezogen, in meinem kühlen 125 Jahre alten Haus zu bleiben. Für Eiscafé konnte ich auch selber sorgen. Wenig überraschend: Auf eine solche Tageshitze folgte dann auch die erste Tropennacht des Jahres mit 20 °C.



"Schlechte Nachrichten hört man ziemlich schnell. 
Die guten Nachrichten hingegen sind manchmal verborgen, 
man muss sie suchen."

Die Af*D weiß, wie sie in die Medien kommt. Zwar beklagt sie sich ständig über mangelnde Aufmerksamkeit, taucht aber überall auf und drängt sich vielerorts in den social media dazwischen, wohl wissend, dass ein Aufschrei auf dem Fuße folgt und ihre Position, auch wenn nicht der Wahrheit entsprechend, doch immer wieder in den Köpfen hängen bleibt. Von einem solchen Fall habe ich in der letzten Woche berichtet.

Festgesetzt hat sich auch in den Köpfen, dass die Partei stets auf der Gewinnerstraße unterwegs ist. Dem ist nicht so: Dafür muss man sich allerdings die weit weniger spektakulären Wahlen anschauen, die eben nicht von überregionalem nationalen geschweige denn internationalem Interesse sind. Das war bei der Wahl im Juni 2023 für das Landratsamt im Landkreis Sonneberg in Südthüringen noch ganz anders: Die Wahl ihres Kandidaten feierte die Partei als großen Durchbruch, und das Medienecho war kolossal. Und verbreitet wurde auch anschließend, dass die Blaunen diesen Weg nun weiter beschreiten werden, um auf diese Weise ganz oben an die Macht zu kommen. Eine altbewährte Strategie, um der Partei den Anstrich einer ganz normalen Gruppierung zu geben, um "von unten die ersten Pflöcke einzuschlagen", so ein Bundestagsabgeordneter aus MeckVop.

Aber wie sieht nun der "Durchmarsch" aus?  Schon im Herbst 2023 im brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald und im thüringischen Saale-Orla-Kreis, wo sie sich schon vorab als klare Sieger gesehen haben, hat es dann nicht geklappt. Im Mai 2024 gab es in Thüringen 18 Landratswahlen – keine einzige gewann die Af*D. Auch 2025 in vier weiteren Kreisen in Mecklenburg-Vorpommern und einem im brandenburgischen Templin. Dort schaffte es der SPD-Kandidat Christian Hartphiel in der Stichwahl, bei der der blaune Kandidat im ersten Wahlgang zuvor die Mehrheit hatte. In den Kreisen Vorpommern-Rügen, Vorpommern-Greifswald, Seenplatte und Ludwigslust-Parchim gewannen die Kandidaten der anderen Parteien bzw. ein Parteiloser. 

Davon hast du nichts gehört? Solche Niederlagen sind einfach nicht von Interesse für die Medienlandschaft und gehen im inzwischen bei uns üblichen Politgetöse unter. 

Interessanter Aspekt: Bei den Stichwahlen sank die Bereitschaft der Wähler der Blaunen, erneut zur Urne zu gehen, und durch gute Kampagnen stieg die Bereitschaft ihrer Gegner unter den Wahlberechtigten. Eine Erfolgsgeschichte sieht also anders aus und ist wohl doch zu verhindern. Und das will ich heute mal auch unter die Leute bringen: Af*D - Siege sind kein Automatismus. Mobilisierung derjenigen, denen demokratische Positionen immer noch ein Anliegen sind, kann offensichtlich was bewirken.

                                                                         


Verlinkt mit dem Samstagsplausch bei Karminrot, mit dem Monatsmotto bei Niwibo, mit dem Mosaic Monday von Heidrun und den Fotofragezeichen der Zitronenfalterin